Interview mit Dipl.-Psych. Sandra Kuhn-Krainick
M.: Frau Kuhn-Krainick, Sie sind seit vielen Jahren als Trainerin erfolgreich. Ihre ursprüngliche Ausbildung ist Diplom-Psychologin: Inwieweit hat Ihnen das bei Ihrer Arbeit als Trainerin geholfen?
K.-K.: Für mich und mein Team steht immer der Mensch im Fokus unserer Trainings, d. h. wir haben das Ziel, die individuelle Kompetenz unserer Teilnehmer zu stärken und ein gesundes, sinnvolles Verständnis für Führung aufzubauen. Dabei stütze ich mich verstärkt auf meine Erfahrungen als Trainerin, aber ich profitiere auch noch immer von meinem Studienschwerpunkt und den Erkenntnissen der Arbeits- und Organisationspsychologie. Themen wie Motivation, Lernen, Entwicklung und Evaluation sind dabei nur ein kleiner Ausschnitt.
M.: Wie sind Sie in Ihrer Arbeit auf erfahrungsorientierte Methoden gestoßen?
K.-K.: Während meiner Zeit als Projektleiterin bei der BASF AG in Ludwigsburg bin ich bei einer Outdoor-Veranstaltung erstmalig mit erfahrungsorientierten Trainingstools in Berührung gekommen. Dabei konnte ich bei den Teilnehmern eine besondere Intensität des Erlebens beobachten. Mir wurde deutlich, so kann ich Teilnehmer nicht nur wachrütteln, sondern spreche sie auch auf den unterschiedlichsten Erfahrungsebenen, mit Emotionen und Sinnen intensiv an. Jeder Einzelne verknüpft seine Erkenntnisse aus der Übung mit persönlichen Erlebnissen. Das macht echtes Lernen aus.
M.: Was sind aus Ihrer Sicht weitere Vorteile?
K.-K.: Auch die Motivation der Teilnehmer, langfristig am Ball zu bleiben steigt durch das Erfahrungslernen. Die Verankerung der Lerninhalte im Gedächtnis erhält so eine ganz andere Qualität. Genau das sind auch die Nahtstellen zwischen meiner Arbeit und den Training Tools von METALOG.
M.: Wie kann ich mir das in der Praxis vorstellen? Sie haben ein mehrmoduliges Blended-Learning-Trainingskonzept in Form einer Jahresreise entwickelt, für das Sie auf deutscher und europäischer Ebene prämiert worden sind. Wie bauen Sie hier erlebnisorientierte Elemente ein?
K.-K.: In der Jahresreise begleiten wir unsere Teilnehmer über ein ganzes Jahr. Zu Themen wie Stressbewältigung, Gesunde Führung und aktuell auch zur Veränderungskompetenz haben wir einen Mix aus Präsenztrainings und digitalen Selbstcoaching-Impulsen entwickelt. Über zwölf Monate erhalten die Teilnehmer der Jahresreise multimediale Impulse. So bleiben die Themen über einen langen Zeitraum in den Köpfen und werden immer weiter vertieft.
Die Live-Events zu Beginn und am Ende der Jahresreise sind dabei wichtige Schlüsselmomente mit hohen Anteilen an Erlebnisorientierung. Hier entsteht Motivation zum Lernen und auch zur Umsetzung On-the-Job. Bei den begleitenden Videos, Audiodateien und Übungsanleitungen zum Selbstlernen greifen wir immer wieder auf die Erlebnisse und Emotionen aus den Live-Events zurück. Denn eines steht für mich fest: Lernen braucht eine emotionale Verankerung und einen direkten Bezug zur Umsetzung im Alltag.
M.: Welche Tools von METALOG setzen Sie dabei ein?
K.-K.: Gerade in der Auftaktveranstaltung, aber auch als Reflexion am Ende der Jahresreise setzte ich sehr gerne die EmotionCards von METALOG ein. Ganz aktuell hat mich zum Beispiel eine Firma beauftragt, ein Seminar zum Thema Resilienz und Umgang mit Krisen durchzuführen. Durch die Vielfalt der EmotionCards kann ich die Teilnehmer mit der Frage „Welche Karte zeigt deine aktuelle Situation oder ein Problem, mit dem du gerade konfrontiert bist?“ sehr gut motivieren, sich aktiv einzubringen. Zusammen mit der Frage „Welche andere Karte stellt für dich eine wertvolle Ressource dar?“ ergibt das eine spannende Gesprächsrunde. Das ist ja auch das Schöne an den Karten: Sie lassen sich je nach Thema, das ich in einer Gruppe angehen möchte, sehr unterschiedlich und zielgruppenspezifisch einsetzen.
M.: Ja, das „Maßschneidern“ ist für uns ein sehr wichtiger Aspekt. Bei all unseren Trainingstools ist es für uns elementar, den Trainern hochflexibel einsetzbare Instrumente zur Verfügung stellen. Wie würden Sie typischerweise dieses Tool noch einsetzen?
K.-K.: Die Karten eignen sich auf so vielfältige Weise zur Unterstützung von Trainingsinhalten. Bei einem Kommunikationstraining lasse ich Teilnehmer auch gerne „blind“ eine Bildkarte ziehen, zu der sie dann ganz spontan eine Motivationsrede halten soll. Oder bei Themen rund um die eigene Persönlichkeitsentwicklung nutze ich die Bilder, um persönliche Zielzustände anhand einer Visualisierung den anderen zu erzählen.
Da jede Karte für jede Person ganz unterschiedliche Aussagen haben kann, sind die Ergebnisse sehr vielschichtig und bergen manche Überraschung. Auch für die Abschlussreflexion des Trainings oder des Jahreszyklus können die Teilnehmer mit den gleichen Karten für sich überlegen, wie ging es mir am Anfang, was hat sich für mich in der Zwischenzeit verändert und wie hat mich das Bild meiner Karte dabei begleitet? Ich kann also die Karten immer situativ nach den Bedürfnissen der Gruppe inszenieren.
M.: Sie haben ja schon unzählige Trainings durchgeführt und dabei viel erlebt. Hatten Sie ein Erlebnis, das Sie besonders überrascht hat?
K.-K.: Da gab es im Laufe von fast 30 Jahren natürlich einige, aber eine Szene ist mir gerade ganz präsent. In der Jahresreise für Nachwuchsführungskräfte einer Stadtverwaltung haben wir mit dem „Flotten Rohr“ von METALOG gearbeitet. Die Gruppe sollte durch die Übung mehr Mut für Neues entwickeln und dabei auch mehr Selbstvertrauen aufbauen.
Ich habe die Teilnehmer eingeladen, an einem „Experiment teilzunehmen“ und sie gebeten, „sich neugierig darauf einzulassen“. So konnte ich ihre Motivation und das Interesse an der Aufgabe wecken. Mit viel Elan und Tatkraft wurde die Aufgabe bewältigt. Eine gute Stimmung im Team und das Gefühl „Wir können das und vieles mehr“ stand am Ende in den Gesichtern aller. Bevor ich dann die Materialien wieder wegräumen konnte, hat sich die Gruppe in Bewegung gesetzt und das Flotte Rohr an den Schnüren über ein sehr teures Auto gespannt. Mir ist ein wenig das Herz in die Hose gerutscht, weil jetzt ich nicht ganz zu mutig war. Dieser Vorfall hat mir aber auch sehr anschaulich bewiesen, wie erfolgreich das Lernexperiment für die Gruppe gewesen ist und dass sie danach auch Hindernisse gemeinsam beherzt überwinden konnte.
Diese Szene liegt nun schon ein Jahr zurück. In der Zwischenzeit ist schon die nächste Teilnehmergruppe durch diese Jahresreise gegangen und wieder habe ich die Übung angeleitet. Auch diesmal wurde ein Auto involviert und diesmal habe ich auch ein Foto geschossen. Warum das Auto? Ich habe die Übungsanleitung der aktuellen Situation angepasst: 1,5 Meter Sicherheitsabstand als Hygienemaßnahme, das entsprach genau der Länge der Seile. Und die „großen Stolpersteine auf dem Weg“ waren das Auto. So hat es allen Spaß gemacht und wir konnten bei der Auswertung auch gleich den Bezug zum Alltag herstellen.
M.: Das ist eine schöne Geschichte. Wie stellen Sie die Tools für Ihre Settings zusammen? Nach welchen Kriterien wählen Sie die Trainingsmethoden für die jeweiligen Settings aus?
K.-K.: Die Tools von METALOG sind ja wie bereits gesagt vielseitig einsetzbar. Ich kann die einzelnen Tools durch unterschiedliche Anleitungen in die jeweilige Welt der Mitarbeiter einbinden. Auch den Schweregrad der Übung kann ich variieren. Bei Anfängern lege ich die Messlatte nicht ganz so hoch wie bei erfahrenen Führungskräften.
Anhand der EmotionCards habe ich das vorhin ja schon beschrieben. Egal, ob als Aufwärmübung, zum Herausarbeiten des Problems (was belastet mich gerade besonders, worin liegen die aktuellen Herausforderungen?) oder zur Reflexion am Ende einer Lerneinheit – als Trainer ist man häufig gefordert, flexibel und kreativ zu reagieren.
Auch das eben beschriebene Beispiel mit dem Flotten Rohr ist für verschiedene Zielsetzungen einsetzbar. Beim aktuellen Thema der Resilienz werte ich die Übung beispielsweise hinsichtlich der vier Dimensionen Optimismus, Eigenverantwortung, Lösungsorientierung und Netzwerkbildung mit den Teilnehmern gemeinsam aus.
M.: Wie kann das konkret aussehen?
K.-K.: Einmal habe ich den blöden Fehler gemacht, die Materialien nach einer Gruppenübung nicht selbst in die Tasche zu packen, und habe auch nicht darauf geachtet, wie der Praktikant das getan hat. Als ich dann mit der nächsten Gruppe das Flotte Rohr durchführen wollte, lagen die Schnüre ganz verknotet und wirr in der Tasche: ein echtes Chaos! Kurzerhand habe ich diese „Störung“ in die Aufgabenstellung eingebaut. Die Gruppe musste zuerst gemeinsam die Seile entwirren und konnte erst dann den Balltransport beginnen. Bei der Auswertung haben wir dann über Störungen, Fehler und Frust gesprochen. Alles Dinge, die es auch im Arbeitsalltag gibt. Wie jeder Einzelne auf die verknoteten Schnüre reagiert hat und wer wie schnell in ein konstruktives Handeln gekommen ist, waren gute Gesprächsthemen im Anschluss. So ergeben sich Anknüpfungspunkte für den Alltag der Teilnehmer, die sie dann wiederum direkt On-the-Job anwenden können.
M.: Können Sie uns noch weitere so plastische Beispiel aufzeigen?
K.-K.: Denkbar ist immer auch, spontan einen Break bei einer Übung einzulegen und in einer gezielten Situation zu hinterfragen, wie es den Teilnehmer gerade ergangen ist und woher sie das Problem, mit dem sie gerade konfrontiert werden, aus dem Job kennen. Eventuell sammle ich hier bereits Erkenntnisse für einen verbesserten Prozessablauf auf dem Flipchart. Außerdem habe ich immer die Augenbinden dabei, beispielsweise für eine spontane Vertrauensarbeit, oder das Seil von METALOG. So kann ich problemlos auf unvorhergesehene Situationen mit einer Übung reagieren.
M.: Neben der Polykontextualität ist uns bei METALOG eine sinngebende Auswertung besonders wichtig. Wie schaffen Sie es, durch die Auswertung einen nachhaltigen Effekt bei den Kursteilnehmern zu erzeugen?
K.-K.: Ich arbeite hier in drei Phasen. Zuerst geben mir die Teilnehmer ein kurzes Blitzlicht, wie sie die Übung ganz persönlich wahrgenommen haben. Dabei steht die individuelle Sichtweise klar im Vordergrund. Wie habe ich mich gefühlt? Was kam mir bekannt vor? Welche typischen Verhaltensweisen habe ich hier von mir gezeigt? Wo hatte ich meinen persönlichen Aha-Moment? Oder: Was hat mich am meisten emotional berührt?
Die zweite Ebene ist die Auswertung im Dialog. Dabei steht ein wertschätzendes Feedback zwischen den Teilnehmern untereinander im Fokus. Welche Aussagen anderer Teilnehmer treffen für mich ebenfalls zu? Aus meiner Sicht negative Eindrücke werden von anderen positiv wahrgenommen, kann ich davon profitieren? Wie nehmen andere Dinge wahr oder wie handeln sie – und kann mich das inspirieren oder mich verändern? Das variiert teilweise sehr stark, je nach Kernthema des Seminars und der eingesetzten Methoden oder Tools.
In der dritten Auswertungsebene besprechen wir, wie jeder Einzelne das konkret für sich und seine Arbeitswelt umsetzen kann oder welchen Schritt er sich als Nächstes vornimmt oder sogar an Kollegen weitergeben möchte. Das halte ich meistens auch schriftlich fest, damit es als Anregungen auch im Nachgang zum Training noch zur Verfügung steht.
M.: Eine gründliche Auswertung ist also besonders wichtig?
K.-K.: Ja, auf jeden Fall. Nur so kann der Transfer in die Praxis stattfinden. Wir nennen das in unserem Jahresreiseformat auch den „Gang über die Brücke“ in den Alltag. Dazu haben wir tatsächlich eine große Brücke im Seminarraum und am Ende des Trainings steht jeder Teilnehmer einzeln auf der Brücke und beschreibt seine nächsten To-dos am Arbeitsplatz nach den Erkenntnissen aus dem Training.
Letztlich verstärken emotionale Erlebnisse wie z. B. Erfolg, Überraschung, Spaß oder Vertrauen, die mit allen Sinnen erfahren werden, wesentlich die Nachhaltigkeit der theoretischen und kognitiven Schulungsinhalte. Auch unsere multimedialen Selbstcoaching-Impulse pro Monat folgen diesem Grundprinzip des Lernens.
M.: Was wünschen Sie sich als Trainerin für die Zukunft in der Weiterbildung?
K.-K.: Nachhaltigkeit in der Weiterbildung ist mir eine Herzensangelegenheit. Mein Institut Kuhn-Krainick ist aktuell der einzige Weiterbildungsanbieter, der ein CSR-Siegel (Corporate Social Responsibility) für nachhaltige Weiterbildungsformate trägt. Seit drei Jahren erhalten wir diese Auszeichnung regelmäßig vom Deutschen Institut für Nachhaltigkeit und Ökologie ausgestellt. Darauf bin ich sehr stolz.
Mein Ziel und Wunsch ist es, dass sich Nachhaltigkeit auch bei Personalführung und Mitarbeiterentwicklung mehr durchsetzt. Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern müssen bereits heute einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Hier könnten aus meiner Sicht auch nachhaltige Formen der Personalentwicklung und des Betrieblichen Gesundheitsmanagements ihren festen Platz einnehmen.
M.: Frau Kuhn-Krainick, herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch und den Blick hinter die Kulissen Ihrer Arbeit.
Porträt
Dipl.-Psych. Sandra Kuhn-Krainick leitet seit 20 Jahren ihr eigenes Weiterbildungsinstitut Kuhn-Krainick. Für die von ihr entwickelte Qualifizierungsprogramme „Jahresreise® Stressbewältigung“ und „Jahresreise® Gesundes Führen“ wurde sie sowohl vom Deutschen Verband für Coaching und Training als auch vom BDVT mit dem deutschen und europäischen Trainingspreis ausgezeichnet.
Unter ihrer Firmierung arbeitet aktuell ein 16-köpfiges interdisziplinäres Trainerteam. Nachhaltige Lernkonzepte unter anderem in den Bereichen Führungskräfteschulung, Stressbewältigung, Resilienz und Veränderungskompetenz bilden den Schwerpunkt ihres Instituts. Ihr Motto als Weiterbildnerin lautet: „Mit Herz und Verstand tiefe Spuren hinterlassen.“