Resilienz durch Imagination – Fragetechnik für Transformation & Change

EmotionCards & ScenarioCards

Daniela Voss

 

Das Jahr 2020 ist geprägt von Bewegung, Ausnahmezuständen und Wandel. Es herrscht Unsicherheit und wir suchen immer wieder nach Orientierung. Gleichzeitig treten die Dinge, die uns besonders wichtig sind, deutlich zum Vorschein. Das können bestimmte Menschen sein, aber auch Routinen und Rituale. Trainer und Coaches, die teilweise selbst von wegbrechenden Kunden betroffen sind und völlig „kalt erwischt“ wurden, müssen sich fragen: Was will ich jetzt? Was ist wichtig?

 

Besonders hilfreich finde ich in diesen Zeiten die Erfahrungen des Psychiaters Viktor Frankl, der einige Jahre in Konzentrationslagern überlebt hat und dabei beobachtete, welche Rolle die Imagination und persönliche Ziele dabei spielen. So beobachtete er beispielsweise, dass diejenigen Häftlinge, die eine Vorstellung vom „Danach“ entwickeln konnten, wesentlich größere Chance hatten, zu überleben. Für ihn selbst war das die Imagination darüber, wie er nach dem Krieg Vorlesungen über die Auswirkungen des Lagers auf die Psyche halten würde. Er beschreibt das in seinem Buch „Trotzdem Ja zum Leben sagen“.

 

Diese Kraft der Imagination finden wir auch im Leben von Milton Erickson wieder, der schwer an Kinderlähmung erkrankte und als Folge davon an den Rollstuhl gefesselt war. Durch Imagination schaffte Milton Erickson das Undenkbare: Er lernte wieder laufen. Basierend auf dieser eigenen Erfahrung gründete er die moderne klinische Hypnotherapie, auf der viele der heutigen Coaching-Methoden fußen. Nachzulesen u. a. in Milton H. Erickson von Jeffrey Zeig & W. Michael Munion.

 

Was bedeutet das für uns? Klar ist: Wir müssen in Kontakt kommen mit unseren Zielen, Werten und Ressourcen. Erst dann gelingt es uns, die erdrückende Schwere der Krise abzuschütteln und Zugang zu unseren Fähigkeiten und unserer Resilienz zu bekommen. Im Kontakt mit unserer Kraft kann es gelingen, wirklich neue innere Bilder und Ideen zu entwickeln und die Situation für selbst gestalteten Wandel zu nutzen. Die Imagination kann dabei die Brücke über die Unsicherheit sein und uns auf neuen festen Boden leiten.

 

Ob Sie nun mit Konzepten aus dem Bereich der lernenden Organisation, aus Lewins 3-Phasen-Modell oder dem House of Change arbeiten, ist egal. In jedem Fall werden die Beteiligten im Prozess der Veränderung mit ihren eigenen Haltungen, Werten, Überzeugungen und dementsprechend ihrer Kommunikation in Kontakt kommen.

 

Doch wie bringe ich einen Kunden dazu, sich seiner Werte bewusst zu werden und dabei Ziele und Visionen zu entwickeln? Wie kann ein gangbarer Weg in unsicheren und von Wandel geprägten Zeiten konstruiert werden? Hier benötigen wir das wichtigste Werkzeug von Trainern und Beratern: eine geeignete Fragetechnik und das passende Visualisierungsmaterial. Im Folgenden möchte ich die „kleine Schule der Fragetechniken“ vorstellen und wie wir dabei die Imagination besonders unterstützen können.

 

Die kleine Schule der Fragetechnik mit den Imaginationshelfern EmotionCards & ScenarioCards

Das Grundprinzip ist immer gleich: Sie bieten Fragen und Imaginationshilfen gleichzeitig an und die Akteure wählen Bilder und finden Antworten. Teilen Sie als Vorbereitung die Karten auf zwei Tischen oder einer Pinnwand aus. Im Anschluss sammeln und diskutieren Sie die Bildkarten. Auch hervorragend für Einzelcoaching geeignet!

Fragen zum Abholen und Einsteigen:
• Was ist in der aktuellen Lage wichtig für Sie und wieso?
• Was brauchen Sie und Ihr Team jetzt besonders?
• Wie geht es Einzelnen? Welche Bedürfnisse sind da? Wo wollen wir hin? Wo ist das Erleben des Teams aus der Sicht Einzelner ähnlich und wo gibt es Unterschiede? Wer braucht Unterstützung?
(Team-)Vitalität: Fragen zur Fokussierung auf Ressourcen und Stärken
• Was sind die wichtigsten Ressourcen und Stärken, über die Sie und
Ihr Team verfügen?
• Welche Herausforderungen in der Vergangenheit haben Sie bereits gemeistert?
• Wie ist Ihnen das gelungen?

 

„Unter Druck“ vs. „Mit Saft und Kraft“

Wählen Sie jeweils eine Karte für Ihr Team, wenn es „unter Druck“ agieren muss und eine Karte für einen Zustand „mit Saft und Kraft“. Tauschen Sie sich über Unterschiede aus und entwickeln Sie optimale Umgangsfähigkeiten für einen Zustand „unter Druck“.

 

Fragen zur Entwicklung von neuen Visionen

Gehen Sie geistig bis ins Jahr 2025 und blicken Sie zurück in die Vergangenheit:
• Inwiefern war das Jahr 2020 ein Jahr des Lernens und der Veränderung?
• Was waren damals einige der ersten wichtigen Schritte in die Zukunft?
• Was haben Sie gelernt?
• Welche alten Überzeugungen mussten Sie loslassen?

 

Nutzen Sie die Karten am Ende einer Teamentwicklungsmaßnahme, indem das Team gemeinsam Karten kombiniert und daraus eine Zielcollage entwickelt, die natürlich durch selbst gemalte Bilder ergänzt werden kann.

 

Blick zurück – Blick voraus

Der Trainer lädt die Teilnehmenden ein, das zurückliegende Jahr zu reflektieren. Hierzu hängt er im Raum mehrere Flipcharts mit jeweils einer Frage darauf auf. Die Teammitglieder gehen in Kleingruppen von Frage zu Frage und wählen jeweils Bildkarten als Antworten auf die Fragen aus, kleben diese mit Kreppband aufs Flipchart und schreiben Kommentare dazu.

Mögliche Fragen können zum Beispiel sein:
• Was waren wichtige Erfolge?
• Was waren große Herausforderungen?
• Was waren wichtige Veränderungen?
• Welche Ressourcen haben wir genutzt?
• Wo sind wir besonders gut mit Schwierigkeiten umgegangen?

 

Im Anschluss werden die Karten inklusive der Kommentare gemeinsam vorgestellt. In einem zweiten Schritt hat der Trainer wieder Flipcharts mit z. B. folgenden Fragen vorbereitet:
• Welche Kompetenzen wollen wir weiter ausbauen?
• Was wird kommendes Jahr besonders wichtig?
• Worauf freue ich mich?

Im oben beschriebenen Modus sammelt die Gruppe Bildkarten mit Kommentaren und bespricht diese im Anschluss.