Die ganz guten Ideen habe ich in der Badewanne

Toolentwicklung

Tobias Voss, Gründer von METALOG®, im Gespräch mit Silvia Balaban

 

Silvia Balaban: Wie entwickeln Sie neue Tools? Wie kann ich mir das vorstellen … Stehen Sie in der Früh auf und sagen: „Also heute habe ich Lust, ein neues Tool zum Thema Führung zu entwickeln?“

Tobias Voss: Nein, so funktioniert das natürlich nicht … (lacht). Häufig werde ich angesprochen, ob ich nicht für ein bestimmtes Themengebiet etwas entwickeln könnte. Zum Beispiel war beim HeartSelling die Situation die, dass wir schon viele Tools zu den Themen „Führung“ oder „Team“ hatten und Trainer aus dem Vertriebsbereich meinten, sie bräuchten etwas Handlungsorientiertes zum Thema Verhandeln, für konzerninterne Einkäufer-Verkäufer-Beziehungen, aber auch für das Vertrauensverhältnis zwischen Verkäufern und Kunden. In dem Fall bin ich dann losgezogen und habe begonnen, zu recherchieren, wie ein Lernszenario aussehen könnte. Ich suche zum Beispiel in anderen Kulturen, welche Rituale es dort gibt, grabe alte Projekte aus etc. Sobald ich dann eine vage Idee davon habe, wie ein Szenario aussehen könnte, bauen wir einen ersten Prototypen, den ich dann teste. Mit dem Feedback bauen wir dann den nächsten Prototypen und probieren den wieder aus usw. Dabei habe ich die ganz guten Ideen beim Skitourengehen, in der Badewanne, beim Rotwein …

 

Wie sehen die Entwicklungszeit und der finanzielle Aufwand aus?

Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Produkte, die haben wir in einem halben Jahr fertig. Das wird dann getestet und da habe ich sofort das Gefühl, das kann Trainer unterstützen. Und dann gibt’s auch andere Produkte wo es zweieinhalb Jahre dauert, weil es schwieriger ist, Feedback zu bekommen. Aber häufig auch, weil es vom Material her herausfordernder ist. Jede Entwicklung kostet dabei zwischen einigen Tausend Euro bis hin zu mehreren Zehntausend Euro. Aber selbst, wenn es teuer war, kommt das erste echte Feedback natürlich immer vom Markt – also unmittelbar, nachdem wir das Tool herausgebracht haben!

 

Was sind die Erfolgsfaktoren für den Einsatz der Tools im Alltag des Trainers?

Das Erste, was ich wissen muss, ist, dass das Tool nur ein Katalysator im Lernsetting ist … Das Wichtigste ist, dass ich einen guten Kontakt mit der Gruppe habe, dass ich an den Zielen der Gruppe arbeite. Das Tool kann mich dabei unterstützen. Wirklich zentral ist die Einbettung des Tools in die Logik und in das Verständnis von dem, was da gerade an Lernkultur abläuft, durch eine geeignete Inszenierung. Das ist quasi die „Verpackung“ des Tools in den Sinnzusammenhang. Die Gruppe soll sagen: „Wow, ja das macht für uns so Sinn!“ Wenn ich zum Beispiel mit dem Tower of Power arbeite, macht es keinen Sinn, der Gruppe zu sagen „Wir arbeiten jetzt mit dem Tower of Power“, sondern der Trainer sollte sich einen geeigneten Namen überlegen, der zum Thema und zur Gruppenkultur passt. Wenn es zum Beispiel um Projektmanagement geht, dann nenne ich den Turm „Projekt-Turm“ und die einzelnen Bausteine sind „Meilensteine“ im Projekt, die Schnüre sind die Beziehungen etc. Ich sollte also das Tool als Metapher beschreiben. Und am Ende eine wirkungsvolle Reflexion durchführen. Nur so gelingt es, die Brücke in den Alltag zu bauen.

 

Wie verändert sich Training, wenn man handlungsorientierte Tools verwendet?

Ich erinnere mich an meine Anfangszeit in den frühen Neunzigerjahren, als ich viel mit Banken gearbeitet habe. Das war sehr spannend, denn die Erwartungshaltung der Leute war eben „Da stehn Tische, wir sitzen da und wir lassen uns berieseln …“, worauf ich dann eben meinte „Wir sitzen hier im Stuhlkreis und ich verstehe die ganze Veranstaltung als etwas Hochflexibles. Dabei ist mir wichtig, dass ich selbst nicht derjenige bin, der alles weiß. Mein Verständnis ist eher, dass ihr die Spezialisten eures Themas seid. Denn für mich ist das Training hier eine Ko-Kreation und wir müssen sehen, was Ihr braucht und was ich brauche, und daraus entwickeln wir ein gemeinsames Ziel.“ Die Leute haben das schon teilweise als Kulturschock erlebt, wenn ich dann auch noch sofort mit Interaktionsaufgaben begonnen habe. Ich habe dabei schnell gelernt, wie man Inszenierungen macht, Sinn für bestimmte Interventionen aufbaut und dabei die Rahmen gut setzt, denn ich hatte ja immer auch die hypnosystemische Brille auf. Als dann die METALOG® training tools immer mehr von Trainern in Deutschland eingesetzt wurden, hat sich gleichzeitig die Einstellung stark verändert. Es gibt ein Bewusstsein dafür, dass wir eine Interaktion brauchen, um Theorie greifbar zu machen. Denn die Tools bieten echte Lösungen. Sie aktivieren nicht nur die Gruppe und entlasten den Trainer, sondern im Vergleich zu Rollenspielen erzeugen sie authentisches Verhalten. Um ein Rollenspiel gut hinzubekommen, muss ich unglaublich viel vorbereiten und begleiten – und am Ende werden viele immer noch sagen “Ja, aber in Wirklichkeit ist es halt anders!“ Die Schwierigkeit habe ich bei einem Tool nicht. Hier bin ich ich selbst – ich spiele niemanden und dadurch wird das Lernen noch echter.

 

Tobias Voss gründete 1994 die Firma METALOG® und 2002 die Firma METALOG® training tools. Wenn er nicht in der Badewanne liegt und neue Tools entwickelt unterstützt er seine Teams dabei die Idee des ErfahrungsOrientierten Lernens (EOL) in die Welt zu bringen.
Silvia Balaban, Dipl.-Wirtschaftspsychologin (FH), Berater, Trainer, Coach und Dozentin für Wirtschaftspsychologie.