Klaus Bodel
Tools: Augenbinden, Moderationsbälle, EmotionCards, Balltransport, Flottes Rohr, MagicNails, Stein der Weisen, Team², TeamNavigator, Zauberstab, Fliegender Teppich, Leonardo’s Bridge, Pfadfinder, Pipeline, Tower of Power, Verflixte Schlinge, MetaBlog, RealityCheck®, ScenarioCards
Überblick
Mein Bericht könnte eigentlich so beginnen: „Once upon a time in life … you get a really interesting opportunity.“ Was ich im Folgenden schildere, war eines meiner beruflichen Highlights innerhalb der Personalentwicklung und Bildungsarbeit der BMW Group.
Die BMW Group engagierte sich von 2006 bis 2009 in der Formel 1 und hatte sich mit dem Formel-1-Team von Peter Sauber (Hinwil/Schweiz) zusammengeschlossen. Ich erhielt den Auftrag, in deutscher und englischer Sprache ein Management-/Führungskräfte-Training für das gesamte BMW SAUBER Formel-1-Team zu entwickeln, die Seminarmodule persönlich durchzuführen und das gesamte Projekt prozessbegleitend und abschließend zu evaluieren.
In drei Modulen à drei Seminartagen sollten sämtliche Führungskräfte des BMW Sauber Formel-1-Teams trainiert werden. Dieses setzte sich aus Manager:innen von BMW Motorsport und Führungskräften der Sauber AG zusammen – in allen möglichen Hierarchiestufen, jedoch immer in verantwortungsvollen Rollen und Funktionen.
Eine differenzierte Bildungsbedarfsanalyse der Führungskräfte war die Basis für das Trainingskonzept. Dann galt es, die Module zeitlich im internationalen Rennkalender unterzubringen. Und last but not least mussten sie auch noch in die eigentlich schon überfüllten Terminkalender der Teilnehmenden hineinpassen.
Das Training wurde in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren mit den jeweiligen Führungskräfteteams durchgeführt.
Thema
Das Akronym aus den rahmensetzenden Inhalten Faszination, Führungskräfteentwicklung und Formel 1 ergab den Titel des Trainings: das „3-F-Prinzip“. Emotional verankert wurde das Training bei den Teilnehmenden jeweils bei einem Gesprächsevent der besonderen Art, einem Dialog am Kamin mit VIPs und herausragenden Schlüsselpersonen der Formel-1-Szene.
Die drei Module hatten folgende Leitideen und Zielsetzungen:
• Modul 1: Verständnis und Entwicklung der individuellen Führungspersönlichkeit
• Modul 2: Teamentwicklung und Förderung des Teamspirits in den Funktionsteams
• Modul 3: Entwicklung und Optimierung des crossfunktionalen Führungsverständnisses zwischen den Funktionsteams
Das methodische und didaktische Gesamtkonzept baute ich – in Abstimmung mit dem Leiter des Leistungszentrums Training der BMW AG und dem Personalverantwortlichen der Sauber AG – auf einem breiten, insgesamt 19 Tools umfassenden Spektrum der METALOG® training tools auf.
Inszenierung
a. Vorbereitung
Als Seminarort wurde das Hotel Römerturm am Kerenzerberg in der Schweiz ausgewählt. Ein passender Ort, denn Peter Sauber, der CEO der Sauber AG, meinte dazu: „Die Wahl dieses Seminarhotels erinnert mich an meine eigene Rennkarriere – denn als junger Mann bin ich selbst den Kerenzerberg in Autorennen rauf- und runtergefahren.“
b. Durchführung
Modul 1: Verständnis des eigenen, individuellen Führungsverhaltens; Ausprobieren verschiedener Führungsstile von „Laissez faire“ über direktive und rigide Führungsformen bis hin zum Modell des situativ angepassten Führungsverhaltens.
Eingesetztes Lernprojekt: „Blinde“ Person durch das Hotel zu führen (pro Person eine Augenbinde); Seile mit 15, 25, 50 m Länge; Auswertung mit Moderationsbällen 1 + 2 sowie EmotionCards 1 +2.
Oberster Grundsatz: Keine Verletzungsgefahr für die Teilnehmer:innen eingehen und keine Schäden im Seminarhotel anrichten.
Tool | Reflexionsschwerpunkt (Frage-Typus) |
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Blindes Führen und Geführtwerden | Gibt es eine Art der Führung, mit der du persönlich Probleme hast? (Ausnahme-Frage) |
Balltransport | Was wäre, wenn das Team frei von allen Restriktionen gewesen wäre? (hypothetische Frage) |
Flottes Rohr | Was könntet ihr als Team tun, um das Problem noch zu verschlimmern? (paradoxe Frage) |
Leonardo’s Bridge | Was könnte an den Problem-Erkenntnissen wertvoll oder nützlich für eine Formel-1-reale Situation sein? (Reframing-Frage) |
Pipeline | Wann lief es im Team mal besser und was ist da anders gewesen? (unterschiedsbildende Frage) |
Tower of Power Spezial XXL | Welche Auswirkungen hatte eure gemeinsame Team-Lösung? (sogenannter Öko-Check) |
Zauberstab | Ist das wirklich eure beste Lösung in Hinsicht auf Zeit, Qualität und Team-Spirit? (sogenannter Reality-Check) |
Modul 2: Teamentwicklung und Förderung des Teamspirits in den Funktionsteams.
Eingesetzte Tools: Balltransport, Flottes Rohr, Magic Nails, Stein der Weisen, Team², TeamNavigator, Zauberstab.
Modul 3: Optimierung der crossfunktionalen Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Funktionsteams.
Eingesetzte Tools: Fliegender Teppich, Leonardo’s Bridge, Pfadfinder, Pipeline, Tower of Power Spezial XXL, Verflixte Schlingen; Auswertung der Teamübungen mit: MetaBlog, RealityCheck 1 + 2, ScenarioCards 1 + 2.
Reflexion und Fragetechnik
Alle Lernprojekte wurden jeweils im Anschluss reflektiert. Oben dazu eine Übersicht über die Reflexionsschwerpunkte und die jeweilige Fragetechnik.
Evaluierung: Die Trainingsmodule wurde mittels der Kirkpatrick-Methode (Vierstufenmodell1) evaluiert. Das gesamte Seminar- und Trainingskonzept kam nach Abschluss der drei Module auf den Prüfstand und wurde einem konsequenten Qualitätsverfahren unterzogen (nach dem EFQM-Modell der Qualitätssicherung in der beruflichen Weiterbildung).
Fazit
Knapp ein Jahr nach seinem schweren Unfall beim Großen Preis von Kanada gewann Robert Kubica 2008 in Montréal seinen ersten Grand Prix – der zugleich der erste Sieg für BMW Sauber war. Dies war ein besonderes Highlight während der Seminarreihe – das von mir geplante Training am Montagmorgen fand natürlich nicht wie geplant statt, denn wir alle fuhren in einer emotionalen Hochstimmung zum Züricher Flughafen, um dem Fahrer zu gratulieren und das gesamte Rennteam des Wochenendes entsprechend zu feiern.
Wie sagten einige Teilnehmer aus der Seminar-Gruppe am Flughafen Zürich-Kloten zutreffend: „Das ist ja der reinste Wahnsinn!“
Und in diesem Moment begriff ich in voller Breite und Tiefe die extrem hohe Emotionalität, die der Formel-1-Sport bei den Fans, Zuschauer:innen, in der Medienberichterstattung und insbesondere auch bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie den Verantwortlichen auszulösen vermag. Deswegen konnte auch nur ein Seminarkonzept erfolgreich sein, das – von der Wahl des Seminarhotels und dem Setzen von emotionalen Ankerpunkten an den Kaminabenden bzw. bei der spontanen Feier am Flughafen über die eingesetzten Training-Tools bis hin zum Transfer der gemachten Erfahrungen in die Arbeitssituationen der Teams – die Emotion aller Beteiligten anspricht und so wirklich tiefgehende Lernerfahrungen ermöglicht.