Was heißt agiles Projektmanagement? – Grundlagen agiler Methoden praktisch erfahren!

SysTeam

Annemike Salonen

 

Überblick
Im Unternehmen ist seit einigen Jahren erfolgreich ein standardisiertes Vorgehen im Projektmanagement nach der sequenziellen Methode etabliert. Zunehmend ergeben sich jedoch Projektthemen, die mit dieser klassischen Vorgehensweise aufgrund der Herausforderungen der VUCA-Welt nicht effizient und kundenorientiert lösbar sind.
Der Kundenauftrag für das Training lautete also: „Vermitteln Sie die Grundlagen agiler Projektmanagementmethoden so, dass unsere Projektmitarbeiter:innen in der Lage sind, diese sinnvoll in den bereits etablierten klassischen Projektmanagementansatz zu integrieren.“

 

Thema
Es geht also für die Mitarbeitenden darum, zukünftig im Projektmanagementalltag flexibel agile und klassische Methoden clever kombinieren zu können – um hybrides Projektmanagement umsetzen zu können. Dafür wird das METALOG® training tool SysTeam im Rahmen eines eintägigen Präsenztrainings eingesetzt. Ziel der Interaktion „Agil statt instabil“ ist, die Grundlagen agiler Zusammenarbeit im Projekt erlebbar zu machen. Insbesondere sollen die Teilnehmer:innen das iterative Vorgehen agiler Methoden erfahren, um so die grundsätzlichen Unterschiede zum bisherigen sequenziellen Vorgehen erkennen und in ihren praktischen Einsatzmöglichkeiten bewerten zu können.

 

Inszenierung
a. Vorbereitung
Die 30-minütige Interaktion wird zur Hälfte des Trainings nach der Mittagspause durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt ist das Basiswissen zu agilem Projektmanagement bereits vermittelt, d. h., die zugrundeliegenden Werte, Prinzipien, Techniken und Methoden (insbesondere SCRUM) sind in der Theorie bereits bekannt.
Die Interaktion ist für drei Teams „Rot“, „Grün“, „Blau“ vorbereitet.
Ideal ist eine Teamgröße von drei (bis vier) Personen je Team. Bei mehr Trainingsteilnehmer:innen können alternativ auch Beobachter:innen ernannt werden.
Pro Team sind jeweils drei (vier) Spielfiguren unterschiedlicher Größen gruppiert aufgestellt, die farblich z. B. durch einen Klebepunkt gekennzeichnet sind.
Um die Komplexität der Aufgabe zu erhöhen, wird in der Mitte des Tisches – z. B. durch eine runde Pappe – eine „Sperrzone“ errichtet, die die Figuren nicht betreten dürfen.
Die Platte ist im Aufbau gut ausbalanciert. Es ist für die Spieler nicht unmittelbar ersichtlich, dass die Platte lose aufliegt.

 

b. Durchführung
Auf einem Flipchart, das auch während der gesamten Interaktion für die Teilnehmer:innen gut sichtbar platziert sein sollte, werden die zu lösende Aufgabenstellung und die Regeln dargestellt.
Der:die Trainer:in erläutert: „Willkommen zurück aus der Mittagspause, liebes Projektteam. Ich bin für die nächsten 30 Minuten Ihre Auftraggeberin. Mein Projektauftrag an Sie: Erstellen Sie auf der Platte innerhalb von 15 Minuten zwei gleichschenklige Dreiecke, die sich eine Seite teilen. Ich habe da bereits sehr genaue Vorstellungen, wie das Endergebnis aussehen soll (Verweis auf Skizze oben rechts auf dem Flipchart). Sie sehen: In jedem Dreieck müssen alle drei Farben vorkommen und der Abstand zwischen den Figuren muss mindestens 20 cm betragen. Keine der Figuren darf sich am Ende oder während des Projektverlaufs in der verbotenen Zone befinden. Und wie bei jedem Projekt gibt es Rahmenbedingungen, die eingehalten werden müssen: So dürfen die Figuren von den Teams nur nacheinander, im Uhrzeigersinn berührt werden. Die Platte darf gar nicht berührt werden. Fällt sie, geht es in die anfängliche Figurenaufstellung zurück. Sie arbeiten in drei Teilprojektgruppen zusammen: Rot, Grün, Blau. Bitte teilen Sie sich gleichmäßig hinter den gruppierten Spielfiguren auf. Das Projekt startet, sobald Sie Ihre Positionen eingenommen haben. Viel Erfolg!“
Während der Lösung der Aufgabe nimmt die Trainerin eine Beobachterrolle ein. Zur Rollenverteilung innerhalb der Teams kommt oft die Rückfrage: „Müssen wir alle mal eine Figur bewegt haben?“ Die Antwort lautet: „Das steht nicht in den Spielregeln“. Denn es entspricht dem agilen Vorgehen, dass sich die Teammitglieder (außer den klar definierten Rollen wie „SCRUM Master“ oder „Product Owner“) im Projekt selbst ihre Aufgaben/Rollen suchen. Auch bei allen anderen Fragen erfolgt immer nur der Verweis auf das Flipchart.
Alles, was dort nicht ausgeschlossen wird, ist erlaubt.
Häufig erkennen die Teilnehmer:innen erst beim Anheben der ersten Spielfigur, dass – und wie (!) – instabil die Platte ist. Das vorher meist klassisch geplante Vorgehen wird dann schnell über Bord geworfen: „Probieren wir es jetzt einfach mal aus. Und entscheiden dann, Schritt für Schritt, den nächsten Zug …“ Hier wird meist intuitiv das Grundprinzip des iterativen Vorgehens angewandt!

 

c. Abschluss
Das Lernprojekt ist abgeschlossen, wenn das Ergebnis erzielt ist oder die angegebene Projektzeit abgelaufen ist.

 

Übertragung in die echte Welt

Elemente im LernprojektElemente in der echten Welt
Elemente in der echten WeltSo ist es bei Projekten mit hohem Neuigkeits-
charakter oder sehr ungewissen Rahmenbedingungen auch: Dann ist die aufwendige, detaillierte Vorabplanung – wie sie klassische Projektmanagementansätze vorsehen – umsonst. Stattdessen nähert man sich beim iterativen Vorgehen („Sprints“ bei SCRUM) dem Optimum schrittweise an.
Wichtig ist, sicherzustellen, dass alle ein klares, gemeinsames Zielbild haben. Wenn nicht allen klar ist, auf welches (Zwischen-)Ergebnis man hinarbeitet, entsteht bei diesem Vorgehen Chaos!So ist es im agilen Projektmanagement auch: Vor jedem Sprint wird das zu produzierende Endergebnis besprochen (Sprint-Ziel). Die Backlog Items dienen dazu, das Sprint-Ziel zu konkretisieren.
Erfolgreich konnte die Aufgabe nur in der Zusammenarbeit aller Sub-Teams und im ständigen kommunikativen Austausch gelöst werden. Das hat den Teilnehmer:innen verdeutlicht, warum es z. B. bei SCRUM verpflichtend ist, sich in täglichen Daily Stand-up Meetings auszutauschen, während im klassischen Projektmanagement oft wöchentliche oder gar monatliche Meetings ausreichen.
Auch die physische Nähe der drei Sub-Teams war für den Erfolg der Zusammenarbeit entscheidend. Sie schaffte Transparenz, erlaubte schnelle Rückmeldung und Reaktion.Im Idealfall sitzt das Team in agilen Ansätzen physisch zusammen. Ist das nicht möglich, werden die Daily Stand-ups digital, immer mit eingeschalteter Webcam durchgeführt.
In der Übung kommt es öfter zu Situationen, wo eine vorher in einem der Dreiecke geplante Figur nicht mehr passend erscheint, da sie zu schwer/leicht ist und die Platte zum Kippen bringen würde. Dann ergeben sich neue Optionen, für die man offen sein und die man erkennen muss.Der agilen Ansätzen zugrunde liegende Wert „Die Reaktion auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans“ wurde auf diese Weise verinnerlicht. D. h. auch: Veränderungen werden als fester Bestandteil des Projekts und als Chance – nicht als „Störfaktor“ – gesehen!
Viele Gruppen kommen zu der Erkenntnis: Einen klassischen Projektleiter braucht es bei dem Vorgehen nicht. Das beste Ergebnis wird im Austausch auf Augenhöhe, mit Respekt und Vertrauen erzielt. Es braucht aber Personen, die auf die Einhaltung der Regeln achten.Genau das entspricht dem Rollenverständnis bei SCRUM. SCRUM ist hierarchielos. Es gibt drei definierte Rollen; der SCRUM Master achtet auf die Einhaltung der SCRUM-Regeln. Der Product Owner übernimmt die übergreifende Kommunikation mit Stakeholdern, Kunden, Führungskräften und dem Entwicklungsteam und setzt die Ziele. Das Entwicklungsteam organisiert sich selbst.
Wichtig sind bei diesem Vorgehen Transparenz und ständige Reflexion: Wo stehen wir im Projekt? Welche Erfahrungen haben wir bisher gemacht? Was ist gut gelaufen, was hat nicht funktioniert?Genau das wird in SCRUM durch regelmäßige Retroperspektiven am Ende jedes Sprints sichergestellt!
Manchmal braucht es von der:dem Greifenden Mut, die Figur anzuheben, auch wenn sich die Platte bedrohlich senkt. Dann müssen alle anderen Teammitglieder hinter ihr:ihm stehen.Mut ist einer der fünf Werte nach den beiden Vätern von SCRUM, den das SCRUM-Team mitbringen sollte. Genauso wie Commitment.

 

Reflexion
Der Transfer von der Inszenierung zur Praxis kann erfahrungsgemäß sehr leicht hergestellt werden. Unterstützt wird die Reflexion durch auf einem Flipchart vorbereitete Fragen:
• Welche Faktoren haben geholfen, gemeinsam die Aufgabe erfolgreich zu lösen?
• Welche Rolle spielt „Agilität“ beim Lösen der Aufgabe?
• Was können wir aus der Übung in den beruflichen Alltag mitnehmen?

 

Fazit
Diese Interaktion erzeugt bei vielen Teilnehmer:innen echte „Aha-Erlebnisse“. Ein Teilnehmer sagte: „Jetzt habe ich die Idee des iterativen Vorgehens endlich wirklich verstanden!“ Gerade Teilnehmer:innen, die vorher agilen Ansätzen skeptisch gegenüberstanden, haben deren Nutzen und Platz in der Projektpraxis durch diese Übung erkannt. Diese Interaktion eignet sich nicht nur zur Vermittlung hybrider Projektmanagementansätze, sondern ebnet auch den Weg für mehr Verständnis und Akzeptanz reiner agiler Projektmanagementmethoden wie SCRUM.