Stephanie Schöllkopf
Überblick
Die an der Robert-Bosch-Schule Ulm unter einer Vielzahl von Schularten vertretene Fachschule für Technik wendet sich an Schüler:innen mit einschlägiger Berufsausbildung sowie einjähriger Berufserfahrung und orientiert sich am neuesten Stand des Anwendungsbezugs in der Praxis. Der Abschluss des:der „Staatlich geprüften Technikers:Technikerin“ ist ein berufsqualifizierender Abschluss, der fachübergreifende Inhalte vermittelt, die für die berufliche Handlungsfähigkeit einer Führungskraft in der mittleren Ebene erforderlich sind.
Gerade dies macht u. a. den hohen Stellenwert dieses Abschlusses in der beruflichen Erwachsenenbildung aus. Absolvent:innen der Fachschule müssen demnach in der Lage sein, selbstständig Probleme ihres Berufsbereichs zu erkennen, zu strukturieren, zu analysieren, zu beurteilen und Wege zur Lösung zu entwickeln. Auch sollen als weitere Lernziele verantwortliches Handeln, die Führung und Anleitung von Mitarbeitern, die Fähigkeit zu konstruktiver Kritik und zur Bewältigung von Konflikten sowie die Kompetenz zur aufbauenden Teamarbeit vermittelt werden.
Es gilt also gerade in der Fachschule für Technik, erfahrungsorientierte Lernprojekte durchzuführen, damit vom Bildungsplan postulierte Lernziele und die geforderte Handlungsorientierung angeregt bzw. selbst erfahr- und erlebbar gemacht werden können. So kann nicht nur ein theoretischer, sondern auch ein praktischer Kompetenzerwerb durch die Fachschüler:innen stattfinden, der sie für Führungsaufgaben im betrieblichen Management auf der mittleren Führungsebene sowie für die unternehmerische Selbstständigkeit qualifiziert.
Thema: „Zuverlässige Informationen sind unbedingt nötig für das Gelingen eines Unternehmens.“
Im Fokus dieses Lernprojekts soll die Erkenntnis stehen, dass die Weitergabe von zuverlässigen Informationen unbedingt nötig ist, um das Gelingen eines Unternehmens zu gewährleisten. Relevanz bekommt dies beispielsweise für Schüler:innen der Fachschule für Technik durch den Bildungsplanbezug im Fach Betriebliche Kommunikation (BKOM). So soll BKOM die Fachschüler:innen befähigen, in „beruflichen Situationen verantwortlich und empathisch zu handeln und Verständnis für Motivations- und Kommunikationsprozesse zu entwickeln. Sie können sich selbst und andere führen, betriebliche Prozesse erfolgreich gestalten und anfallende Problemstellungen kreativ und zielorientiert lösen.“
Inszenierung
a. Vorbereitung
Mittels Raumteiler bzw. Metaplanwänden wird in einem Klassenzimmer ein kleiner Bereich vom Rest des Klassenzimmers abgetrennt. Der größere Teil des Raums wird zum Teambereich, während der kleine abgetrennte Teil zum Arbeitsbereich wird. Wenn möglich, kann der Arbeitsbereich auch ausgelagert werden, beispielsweise in einen kleinen Aufenthaltsraum. Idealerweise besteht zwischen den beiden Bereichen weder Sicht- noch Sprechkontakt.
Im Arbeitsbereich wird das CollaborationPuzzle, das bereits mit zwei Stäben bestückt ist, auf einen Tisch gestellt. Die verbleibenden sechs Stäbe liegen vor dem CollaborationPuzzle. Um die Arbeitsschritte im Arbeitsbereich korrekt zu erfassen, empfiehlt es sich, einen Handzähler (Counter) in den Arbeitsbereich zu legen und an die Ehrlichkeit der Akteur:innen zu appellieren.
Im Vorfeld des Lernprojekts sollten die geltenden Regeln bekannt gegeben und besprochen werden. Hilfreich ist es, dazu die Regeln auf einem Flipchart festzuhalten und dieses während der Durchführung des Lernprojekts in Reichweite und für alle einsehbar im Klassenzimmer zu platzieren.
Regeln:
• Ihr Team hat 35 Minuten Zeit, um die Aufgabe zu lösen
• Das Team verfügt insgesamt über ein Budget von 100 Arbeitsschritten
• Es darf sich immer nur ein:e Akteur:in im Arbeitsbereich aufhalten
• Ein:e Akteur:in darf im Arbeitsbereich immer nur 2 Arbeitsschritte machen
• Jede:r Akteur:in betätigt den Counter entsprechend ihrer:seiner Arbeitsschritte
• Im Arbeitsbereich darf nicht gesprochen werden
• Nur im Teambereich dürfen Informationen ausgetauscht werden
b. Durchführung und Ablauf
Möglich ist, zu Beginn mittels Storytelling die Schüler:innen in folgende Situation zu versetzen: „Stellen Sie sich vor, Sie alle befinden sich an Ihrem Arbeitsplatz und bekommen nun innerhalb Ihres Teams (Arbeitsgruppe/Abteilung etc.) ein neues und innovatives Projekt überschrieben, das aber ein Problem beinhaltet. Nicht alle Eckdaten des Projekts sind transparent und es gilt nun für Sie als Team, in relativ kurzer Zeit (aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit) kreative Lösungskompetenz zu zeigen, um das Problem zu lösen und das Projekt voranzubringen. Aber sehen Sie selbst.“
Nun bekommen die Schüler:innen die Gelegenheit, sich zusammen das CollaborationPuzzle im Arbeitsbereich anzuschauen.
Das Lernprojekt startet mit der Bekanntgabe der Regeln und der Nennung der Aufgabe: „Bringen Sie alle Stäbe in die gleiche Position.“
Die Fachschüler:innen müssen sich darüber verständigen, wie sie die unterschiedlich langen Stäbe in die jeweils richtige Position bringen wollen. Die Erkenntnis, dass die Löcher unterschiedlich lang gebohrt sind, wird den Akteur:innen zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt sein.
Nach kurzer Absprache betreten die Schüler:innen nacheinander und einzeln den Arbeitsbereich und nehmen bis zu zwei Arbeitsschritte vor. Üblicherweise sind die Schüler:innen so „heiß“ darauf, das Lernprojekt zu beginnen, dass sie auf eine Absprache verzichten. Dieses Übergehen des Planungsschritts führt zumeist zu einem chaotischen und zufälligen Arbeitsprozess. Die Akteur:innen probieren aus, messen die Stäbe, geben Informationen teilweise oder unvollständig und unstrukturiert weiter und machen die eine oder andere Entdeckung. Es entstehen aber auch Missverständnisse und vermeintlich sichere Lösungsansätze misslingen. Nicht selten werden auch vorausgegangene Arbeitsschritte wieder rückgängig gemacht und führen zu weiteren Fehlversuchen. Dann schrumpft das zur Verfügung stehende Budget an Arbeitsschritten zusehends.
Nur wenn die Klasse einen Weg findet, die im Arbeitsbereich allein gemachten Erfahrungen und die gesammelten Informationen korrekt und vollständig an die Gruppe weiterzugeben und wenn gemeinsam eine Strategie gefunden wird, kann die Aufgabe gelöst werden.
Übertragung in die echte Welt
Elemente im Lernprojekt | Elemente in der echten Welt |
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CollaborationPuzzle | Aufgabe, Auftrag, Projekt im Betrieb |
Teammitglieder | Mitarbeiter:innen eines Betriebs |
100 Arbeitsschritte | Arbeitsschritte/Zeiteinheit innerhalb der Aufgabe |
Besprechung der Gruppe | 1. Phase des PDCA-Zyklus: Plan |
Aktivität der Akteure | 2. Phase des PDCA-Zyklus: Do |
Besprechung der Gruppe | 3. Phase des PDCA-Zyklus: Check |
Aktivität der Akteure | 4. Phase des PDCA-Zyklus: Act |
Informationsweitergabe | Kommunikationsstruktur, innerbetriebliche Kommunikation, Informationsweitergabe am Arbeitsplatz unter den Teamkolleg:innen einer AbteilungKommunikationsstruktur, innerbetriebliche Kommunikation, Informationsweitergabe am Arbeitsplatz unter den Teamkolleg:innen einer Abteilung |
Alle Stäbe sind am Ende des Lernprojekts in der gleichen Position | erfolgreich abgeschlossene Aufgabe als Ergebnis eines optimierten Arbeitsprozesses |
Droht eine Klasse an mangelnden Absprachen zu scheitern, kann auch eine Intervention hilfreich sein. Ein Hinweis etwa auf den PDCA-Zyklus als Teil einer kontinuierlichen Verbesserung gibt oftmals den nötigen Impuls, um die Gruppe miteinander ins Gespräch und zum Entwickeln einer Strategie zu bringen.
c. Abschluss
Das Lernprojekt wird nach 35 Minuten beendet, auch wenn es der Klasse in der vorgegebenen Zeit nicht gelingt, alle Stäbe in die korrekte Position zu bringen. In beiden Fällen ist eine Auswertung unbedingt nötig.
Reflexion: „Nur was ankommt, ist kommuniziert.“
Gelingt es einer Klasse nicht, die Stäbe in die korrekte Position zu bringen, so kann dieser Misserfolg anhand einer guten Auswertungsphase dennoch gewinnbringend sein.
In jedem Fall ist der erste Austausch über das Erlebte, evtl. das Scheitern, für alle Beteiligten wichtig. In einer zweiten Phase der Auswertung kann sich die Gruppe darüber unterhalten, was es gebraucht hätte, um das Lernprojekt erfolgreich abschließen zu können.
Die Schüler:innen leiten u. a. folgende Erkenntnisse aus dem Lernprojekt ab:
• Eine gemeinsame Absprache und die Suche einer Strategie vor und während der Aktivität der einzelnen Akteur:innen ist sinnvoll
• Eine Verschriftlichung der gemeinsamen Absprachen und der Strategie ist hilfreich
• Informationen müssen richtig und vollständig weitergegeben werden
• Die Weitergabe von Informationen kann nur erfolgreich ablaufen, wenn alle dem:der Akteur:in aufmerksam zuhören
• Informationen sollten auch schriftlich festgehalten werden
• Zusammenarbeit ist unbedingt notwendig
• Fehler sind Helfer, um die richtige Lösung zu finden
• Alle Teammitglieder müssen sich an der Lösung der Aufgabe beteiligen
• Projektmanagement unter Einbeziehung des PDCA-Zyklus (Plan, Do, Check, Act) ist gewinnbringend Etc.
Fazit
Das Lernprojekt „CollaborationPuzzle“ ist für eine Schulklasse eine echte Herausforderung. Die Schüler:innen können am eigenen Leib erfahren, dass die vollständige und sorgfältige Weitergabe von Informationen im Rahmen einer Aufgabe bestimmte Voraussetzungen benötigt. Auch muss koordiniert werden, wie die Klasse miteinander kommuniziert, und auf einer Strategie basierend agiert werden (PDCA-Zyklus). Dabei wird von Schüler:innen auch des Öfteren auf die in vorausgegangenen Lernprojekten erworbenen Erfahrungen Bezug genommen, die auf diese Weise wiederum vertieft und gefestigt werden.