Interview mit Simone Holl, Schulleiterin am Max-Born-Berufskolleg des Kreises Recklinghausen, und Mario Papierok, Schulsozialpädagoge am Berufskolleg der Stadt Bottrop
Wie begegnen innovative Schulen Herausforderungen wie dem Absinken des Bildungsniveaus, diversen Krisen im Schulumfeld oder stark steigenden Zahlen von Schüler:innen mit Fluchthintergrund? Darüber sprachen wir mit der Schulleiterin eines Berufskollegs, Simone Holl, und dem Schulsozialpädagogen Mario Papierok. Frau Holl hatte federführend die Organisation eines auch für METALOG® bisher einmaligen Pilotprojekts übernommen: Dabei wurde aus den Bundesmitteln des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ in drei Modulen à vier Fortbildungstagen die nachhaltige personelle Qualifizierung an acht Berufskollegs in Nordrhein-Westfalen auf die Beine gestellt.
METALOG: Frau Holl, die stetig steigenden Herausforderungen für Schulen, Berufskollegs, Schüler:innen und Lehrer:innen erschweren den Bildungsalltag enorm. Wie sind Sie auf die innovative Idee gekommen, in Ihrer Region eine Inhouse-Ausbildung in „ErfahrungsOrientierten Lernmethoden“ für Ihre Mitarbeiter:innen zu initiieren, um so den Anforderungen künftig besser gewachsen zu sein?
Simone Holl: Bevor ich vor einiger Zeit in die Schulleitung wechselte, habe ich im Rahmen meiner langjährigen Ausbildung von Referendaren und Referendarinnen schon zahlreiche Erfahrungen im Zusammenhang mit ErfahrungsOrientierten Lernmethoden und Seminararbeit gesammelt. Es war immer schon sehr spannend für mich zu beobachten, wie sich die gruppendynamischen Prozesse beim Einsatz von „Spielen“ verändern: Gruppenprozesse kommen in Bewegung und die Lernatmosphäre verändert sich. Mit einem Kollegen habe ich überlegt, wie wir dieses Phänomen mehr im Schulalltag erlebbar und nutzbar machen könnten. Und ganz konkret wurde die Idee dann bei der Planung eines Pädagogischen Tages angegangen.
Dann wurde vom BMFSFJ das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ ins Leben gerufen und dadurch ergaben sich für das Berufskolleg ganz andere finanzielle Möglichkeiten, sich mit den Methoden und Tools des ErfahrungsOrientierten Lernens auseinanderzusetzen. Aus dem METALOG Magazin wusste ich, dass METALOG auch eine Train-the-Trainer-Ausbildung in EOL-Methoden anbietet. Ich fand das eine fantastische Idee: im Kollegium des Max-Born-Berufskollegs eigene Lehrkräfte oder Schulsozialpädagog:innen mit dieser Ausbildung zu haben, die die EOL-Methode intensiv und qualifiziert zum Einsatz bringen und multiplizieren können.
Zuerst hatten Sie also nur Ihr eigenes Berufskolleg im Blick. Zu guter Letzt waren dann aber Teilnehmer:innen von acht unterschiedlichen Berufskollegs des Landes Nordrhein-Westfalen beteiligt. Wie kam es dazu?
S. H.: Unsere Idee habe ich aus einer Sitzung der Schulleiter:innen der sogenannten „Talentschulen“ unserer Region vorgestellt. Das sind sechs Berufskollegs, die sich besonders intensiv um junge Menschen kümmern, die keinen oder einen eher niedrigen Bildungsabschluss haben. Im Rahmen des Pilotprojekts „Talentschule“ werden den entsprechenden Schulen zusätzliche Lehrerstellen zur Verfügung gestellt, sodass die besonders an diesen Schulen wichtige und umfangreiche Beziehungsarbeit besser abgedeckt werden kann.
Diese Arbeit ist erforderlich, um überhaupt wieder Zugang zu den Schüler:innen zu finden. Es konnten Lehrerstellen geschaffen, Schulsozialarbeiter:innen eingestellt oder MPTs, also multiprofessionelle Teams, gebildet werden. Es wurden Konzepte erstellt wie z. B. für Sprachförderung und Berufsberatung. Als Ergänzung im sozialen Bereich hielten wir die Weiterqualifizierung nach den Prinzipien des ErfahrungsOrientierten Lernens für sehr passend.
Ich habe also das Konzept bei der nächsten Sitzung mit acht Schulleiter:innen aus dem Raum Recklinghausen vorgestellt. Aufgrund des großen Interesses kamen noch die Berufskollegs aus Gelsenkirchen und Bottrop hinzu und wir hatten genug Teilnehmer:innen, um zwei große Ausbildungsgruppen zusammenzustellen. Insgesamt haben 28 Personen teilgenommen und sich zu zertifizierten EOL-Trainer:innen von METALOG ausbilden lassen.
Herr Papierok, Sie sind seit sieben Jahren als Schulsozialarbeiter am Berufskolleg Bottrop tätig. Davor haben Sie über 20 Jahre in der Jugend- und Drogenberatung gearbeitet. Im Rahmen der Fortbildung haben auch Sie an der Trainerausbildung von METALOG teilgenommen. Mit welchen Themen sehen Sie sich an Ihrem Berufskolleg, ebenfalls eine Talentschule, konfrontiert?
Mario Papierok: Viele Schüler:innen haben das Bedürfnis nach einer Orientierungsphase, was durch die Corona-Isolation nochmals verstärkt worden ist. Es geht darum, sich überhaupt einmal Klarheit darüber zu verschaffen, welcher Fachbereich von Interesse sein könnte. Viele Schüler:innen wissen nicht, in welche Richtung es für sie gehen soll. Die praktischen Erfahrungen, die normalerweise zum Ende der Schulausbildung gemacht werden, sind durch Corona größtenteils entfallen. Durch den Wechsel an ein Berufskolleg, das einen ruhigen Lernrahmen ermöglicht – im Gegensatz zu dem oft unruhigen, straff organisierten Schulleben –, öffnen sich für die Schüler:innen neue Perspektiven: neue Lehrkräfte, neue Erfahrungen, neues Umfeld, insgesamt die Möglichkeit, auch die zahlreichen sehr schlechten Erfahrungen, die etliche von ihnen gemacht haben, hinter sich zu lassen.
Die Lernmotivation hat sich bei einigen Schüler:innen durch Brüche in ihrer Biografie, wie Mobbing, frühe Schwangerschaft oder Gewalterfahrung, erschöpft und muss ganz neu geweckt werden. Die Schüler und Schülerinnen brauchen Unterstützung darin, überhaupt Interesse zu entwickeln und den Willen, ein persönliches Ziel zu finden und dieses auch erfolgreich zu verfolgen.
In Gesprächen mit unseren Kundinnen und Kunden aus dem gesamten pädagogischen Lehrbetrieb – egal ob Grund- oder Mittelschule, Gymnasium, Berufsschule oder Universität – hören wir immer wieder die Klage, dass keine finanziellen Mittel bereitgestellt würden, um z. B. Tools von METALOG zu erwerben. Wie konnten vor diesem Hintergrund denn die Gelder für eine insgesamt zwölftägige Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahme beantragt und auch genehmigt werden?
S. H.: Nachdem das Interesse und somit auch die Teilnehmerzahl so groß war, ging die Recherche los, ob der zuständige Schulträger finanzielle Mittel bereitstellen würde. Ich habe den Flyer von METALOG an den Träger geschickt und die Bewilligung der Mittel schriftlich beantragt. Der Träger hat den Antrag geprüft und die Gelder genehmigt. Eigentlich ging das sehr schnell und unproblematisch. So war es möglich, von acht verschiedenen Berufskollegs 28 Lehrpersonen durch die Trainerausbildung von METALOG mit ErfahrungsOrientierten Lernmethoden (EOL) weiterzuqualifizieren.
Endlich konnte durch die Mittel des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona“ auch einmal Personal weiterqualifiziert werden – ansonsten sind die Mittel vom Kreis ausschließlich für Sachmittel vorgesehen! Im weiteren Verlauf wurde an den einzelnen Berufskollegs geklärt, welche Lehrkräfte oder Schulsozialarbeiter:innen sich an der Qualifikation beteiligen wollten. Der Verwaltungsaufwand hielt sich somit in einem sehr überschaubaren und für die Schulen leicht machbaren Rahmen.
War es vorher denn nicht möglich, personelle Fortbildungen zu finanzieren?
S. H.: Aus dem sogenannten „Fortbildungsetat“ kann das keine Schule selbst finanzieren. Hier stehen ca. 35 Euro pro Lehrkraft und Jahr zur Verfügung. Davon kann man höchstens einen Referenten für einen Pädagogischen Tag mit dem gesamte Kollegium organisieren. Durch die Corona-Fördermittel standen dann deutlich höhere Beträge zur Verfügung. Viele Schulen haben davon Sachmittel angeschafft, den Schulhof umgestaltet, Ausstellungsflächen für Schülerarbeiten geschaffen, Künstler oder Theaterleute organisiert, die mit den Schülern gearbeitet haben, Sport gefördert etc.
Die wenigsten haben daran gedacht, die Pädagogen und Pädagoginnen weiterzuqualifizieren. Dabei hat dies einen wesentlich nachhaltigeren Effekt, wenn auch die anderen Maßnahmen natürlich ebenfalls sehr schöne und wertvolle Möglichkeiten sind, die Gelder zu investieren.
Wenn es gut läuft, sollen auch für 2023 wieder Bundesmittel bereitgestellt werden. Allerdings sind die Rahmenbedingungen – also, was gefördert wird und in welcher Höhe – aktuell (zum Zeitpunkt des Interviews, Anm. d. Red.) noch unklar.
Wie hat sich die Gruppe der Teilnehmenden ergeben?
S. H.: Jede Schule hat selbst entschieden, welche Kolleg:innen an der Qualifizierung teilnehmen wollen und können. An meinem Berufskolleg waren es zwei Lehrkräfte.
M. P.: An unserem Berufskolleg hat mich der Schulleiter direkt gefragt, ob ich Interesse an dieser Fortbildung habe – und ich war begeistert! Für die methodische Zukunftsplanung der jungen Menschen gibt es bereits zahlreiche Angebote bei uns, die auf die praktische Planung ausgerichtet sind, wie den Bereich Berufsberatung, das Berufsorientierungsbüro, die Studienberatung. Hier steht im Vordergrund, was man mit einem Abschluss eigentlich alles machen kann, welche Möglichkeiten sich nach dem Schulabschluss bieten.
Aber der emotionale Teil kommt hier zu kurz – und die damit zusammenhängenden Themen finden sich dann in meinem Beratungsbereich als Schulsozialpädagoge wieder: Bindungsängste, Zukunftsängste, die Frage, was überhaupt das Richtige für die betreffende Person ist. Hier soll zukünftig mithilfe von Tools und Methodik den Ratsuchenden mehr Fläche für die Orientierung und die Selbstwahrnehmung geboten werden. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir dadurch einen sehr guten Kontakt zu den Hilfesuchenden herstellen und auch gleichzeitig deutlich konkretere Ergebnisse herausarbeiten können.
Ein solches Konzept für unser Berufskolleg im Detail auszuarbeiten, wird eine große Herausforderung für mich und meine Kollegen. Aber uns motiviert, dass durch den Einsatz von ErfahrungsOrientiertem Lernen extrem vielschichtig und nachhaltig Wirkung erzeugt und so bislang ungehobenes Potenzial der Schüler:innen gehoben werden kann.
Mit welchen Problemen haben denn die Schüler:innen bei Ihnen zu kämpfen?
M. P.: Häufig handelt es sich um ganz konkrete Ängste: z. B. sich aus der Heimatstadt zu lösen, um woanders eine Berufsausbildung oder ein Studium zu beginnen. Erst kürzlich erzählte mir meine Kollegin aus der Berufsberatung, sie hätte einen jungen Mann in die Ausbildung zum Kfz-Mechaniker vermittelt. Sie war sehr froh darüber, der Beruf passte, der Betrieb war gut und hatte zugesagt, den jungen Mann zu übernehmen.
Einen Tag später stand sie wieder an meiner Tür und berichtete verzweifelt, der Junge habe „kalte Füße“ bekommen. Auf der emotionalen Ebene hatte er es nicht geschafft, aus der vertrauten Schulumgebung in die neue Arbeitswelt zu wechseln. Hier sollen die Tools beispielsweise helfen, anders ins Gespräch darüber zu kommen, dass man Ängste zulassen darf und sich trotzdem auf Neues einlassen kann.
S. H.: An unserem Berufskolleg sind häufig die Klassen des Talentschulbereichs besonders förderungswürdig. Hier steht Beziehungsarbeit im Mittelpunkt:
Die Schüler müssen teilweise erst wieder lernen, miteinander zu agieren und Vertrauen aufzubauen, sowohl untereinander als auch zu den Lehrer:innen und zum Schulleben insgesamt. Mal zusammen Spaß zu haben, zu erfahren, dass Konflikte auch besser oder einfach anders gelöst werden können.
Mobbing und Angriffe in den sozialen Medien wie z. B. WhatsApp-Gruppen nehmen an den Schulen immer mehr zu: Es ist kaum zu glauben, mit welcher sprachlichen Aggressivität hier Konflikte ausgetragen werden. Die Fähigkeit, miteinander verbal Probleme zu lösen, kann erst aufgebaut werden, wenn auf eine nette Art und Weise miteinander umgegangen wird, die Beziehungsebene wiederhergestellt worden und für die Beteiligten wichtig ist. Erst dann sind Vertrauen und Offenheit möglich und ist auch die Basis geschaffen, sich freundlich über unterschiedliche Ansichten verbal auszutauschen. Der Einsatz von ErfahrungsOrientierten Lernmethoden soll u. a. der gesamten Schulfamilie helfen, dieses Ziel besser und schneller zu erreichen.
Was ist Ihnen, Herr Papierok, aus der Ausbildung besonders nachhaltig und emotional im Gedächtnis geblieben?
M. P.: Wir haben das Tool FutureCity durchgeführt. Alle sollten ihre Bauaufträge erledigen. Das vom Trainer aufgestellte Regelwerk empfand ich als relativ streng und schon nach kurzer Zeit ging es völlig drunter und drüber, alle sprachen durcheinander.
Trotz meiner umfangreichen Erfahrungen machte mich das Chaos bereits nach wenigen Augenblicken so sauer und hektisch, dass ich von mir selbst überrascht war. Obwohl ich schon viel erlebt habe, hat es das Tool geschafft, innerhalb kürzester Zeit intensive Emotionen auszulösen. Sich nicht verstanden zu fühlen, sich nicht äußern zu können … und das sogar in dem geschützten Raum der Ausbildungssituation ganz ohne zusätzlichen Druck von außen. Da kann man sich leicht vorstellen wie sich z. B. ein Schüler mit Migrationshintergrund, der sich nicht verständigen kann und nicht verstanden wird, fühlen mag. Er bewegt sich ja in einem realen und für ihn bedrohlichen Umfeld.
Ich war sehr beeindruckt von der Wirkung des Tools und mit welcher Dynamik und Geschwindigkeit sich die Emotionen bei mir selbst und auch bei den anderen Teilnehmenden eingestellt haben. Erst bin ich richtig bockig geworden und hatte dann keine Lust mehr, weiterzumachen.
Das kenne ich so überhaupt nicht von mir… Der anschließende Austausch der Teilnehmenden über ihre Frustration und ihre Gefühle war sehr hilfreich und hat auch für die weiterführende Arbeit unglaublich viele Ansatzpunkte gebracht.
Der wahre Aha-Effekt der Teilnehmenden während der Ausbildung war aber die Erkenntnis, dass man über die EOL-Methodik extrem viel erreichen kann. Die Überlegung, wie ich das Tool genau einsetze, ist ein wichtiger Part in der Vorbereitung. Wie inszeniere ich es für die Klasse? Wie führe ich nach dem Tool-Einsatz auch die Gruppenarbeit fort? Die Regeln zu setzen, sie zu erklären und dabei eine mehrstufige Bedeutungsgebung zu ermöglichen – das ist der Schlüssel, um erfolgreich erfahrungsorientiert zu arbeiten. Das Potenzial der METALOG training tools besteht in ihrer Vielseitigkeit, die es ermöglicht, ein und dasselbe Tool für ganz unterschiedliche Themen einzusetzen.
Wie haben Sie nach der Ausbildung die METALOG training tools dann eingesetzt?
M. P.: In einem kleinen, neu zusammengewürfelten Team habe ich ein praktisches Experiment gemacht. Das Ziel war, die Kolleg:innen, die sich nicht immer alle grün sind oder es nicht gewohnt sind, offen über ihre Probleme in den Klassen zu sprechen, zu einem offeneren und vertrauensvolleren Austausch anzuregen. Hierzu haben wir das Tool SysTeam als Einführungsübung in der Gruppe eingesetzt.
Die Gruppe war begeistert, welche Dynamik das Lernprojekt in ihrer Gruppe erzeugte. Die Auswertung ergab: „Ja! Das ist so, wie wir miteinander arbeiten wollen:
Führung annehmen oder abgeben können, Offenheit, Vertrauen zu den anderen haben, Verantwortung übernehmen oder auch abgeben, um dem Team zu helfen …“ Das war ein extrem erfolgreiches Ergebnis und bei der kniffligen Zusammenstellung der Gruppe auch ein besonders gelungenes. Die Gruppe hat sich darauf eingelassen, obwohl sie in der Übung gescheitert ist.
Die Nachbesprechung und die Bedeutungsgebung haben in Kombination mit dem Erlebten in der praktischen Übung bei allen verankert, warum sie in ihrem Team in Zukunft mehr Vertrauen und Offenheit zulassen sollen und auch können.
Der Vorteil in der Verwendung der Tools liegt insbesondere darin, dass das eigentliche Thema nicht kaputtgeredet wird. Als Pädagog:innen sind die Teilnehmenden oft sehr eloquent und können gut vor Gruppen sprechen. Bei der Durchführung eines METALOG training tools kann man sich aber nicht hinter Worten verstecken, sondern man musste auch praktisch zeigen, ob man seinem Kollegen vertraut oder nicht.
Und wie sehen Ihre weiteren Planungen für Ihr Berufskolleg im Hinblick auf die gewonnenen Erkenntnisse aus? Was ist vielleicht schon konkret in Vorbereitung?
M. P.: Ich bin dabei, zwei verschiedene Fortbildungsformate auszuarbeiten. Einmal eine offen ausgeschriebene Gruppe, bei der Lehrer:innen aus allen Fachbereichen flexibel mitmachen können. Hier soll Theorie vermittelt werden, aber die meisten Kollegen sind auch neugierig darauf, die Tools kennenzulernen und Erfahrungen damit zu sammeln. Man sollte nicht nur darüber reden, sondern auch machen. Die dabei gemachten Erfahrungen helfen, den Einsatz in der Klasse konkret vorzubereiten.
Die zweite Gruppe ist das Kollegium aus dem Fachbereich Hauswirtschaft und Kosmetik, die sich als geschlossenes Team die Fortbildung mit EOL und METALOG speziell zu Themen aus ihrem Fachbereich wünschen. Wie könnten die Methodik und auch die Tools ganz konkret in ihren Unterricht eingebaut werden? Hierdurch wird die gesamte Fortbildung wesentlich konkreter, da sich das gesamte Team damit auseinandersetzen muss. Ich bin sehr gespannt darauf, wie sich das entwickeln wird.
Hieraus wird sich der künftige Bedarf erst nach und nach weiterentwickeln. Ich stelle mir beispielsweise einen Tandem-Einsatz vor: Dafür würde ich mit einem Kollegen oder einer Kollegin gemeinsam in eine Klasse zu gehen. Das ist mir leichter möglich als anderen Lehrkräften, da ich nicht in einen festen Stundenplan eingebunden bin. Im Fokus steht hier die Unterstützung der Kolleg:innen, die sich noch unsicher fühlen oder ganz neu beginnen, mit ErfahrungsOrientierten Lernmethoden zu arbeiten. Denkbar ist auch eine intensivere Aufbau-Fortbildung, in der weitere Tools kennengelernt werden oder ein intensiver Austausch über die gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse stattfinden kann. Die Weiterentwicklung ist noch offen, das wird sich aus den Bedürfnissen des Kollegiums ergeben. Auf jeden Fall werden die Tools, die das Berufskolleg bereits besitzt, zentral an der Schule verwaltet und es wird ein Ausleihsystem entwickelt.
Frau Holl, Sie als Schulleiterin sehen die Fortbildung aus einer anderen Warte. Wie fand im Anschluss der Austausch zwischen der Schulleitung und den Ausbildungsteilnehmenden statt?
S. H.: Nach der Schulung habe ich mich direkt mit meinen teilnehmenden Kolleg:innen ausgetauscht und diese Erfahrungen haben wir als Schulleiter:innen aller beteiligten Berufskollegs dann auch auf der Schulleiter-Sitzung geteilt. Gemeinsam haben wir überlegt, welche Anschaffungen sinnvoll sein könnten.
Direkt bei uns am Berufskolleg haben die beiden Teilnehmer:innen zusammen mit mir eine Wunschliste für Anschaffungen zusammengestellt. Außerdem habe ich die Teilnehmer:innen in die erweiterte Schulleitungsrunde eingeladen, damit sie dort einige exemplarische „Lernprojekte“ vorstellen und erklären. Mir ist es wichtig, dass die Schulleitungsrunde die Ideen und Maßnahmen mit vertritt und unterstützt. Auf diese Weise können neue Konzepte besser im Kollegium verankert werden. Die am eigenen Leib gemachten Erfahrungen sind sehr wertvoll für diesen Prozess.
Konkret wurde uns das Tool PerspActive mit Durchführung und Reflexion vorgestellt und wir haben überlegt, wie es eingesetzt werden kann. Spannend war, was wir in der kleinen Gruppe direkt bei der Durchführung erlebt haben. Schon nach wenigen Minuten war die natürliche Hierarchieebene außer Kraft gesetzt. Im Spiel wurde sehr emotional agiert und in der Reflexion fanden es alle Teilnehmenden sehr aufschlussreich, warum und wie schnell feste Strukturen in einem erfahrungsorientierten Umfeld in sich zusammenfallen können.
Außerdem können die Tools und die METALOG Methode auch im Führungsteam verwendet werden, um es aufzulockern und zu stärken.
Mein mittelfristiges Ziel ist es, die Methode fest in die Lehrerausbildung aufzunehmen. Die Materialien sollen in für dem für die Lehrerausbildung vorgesehen Raum gelagert und mit einem noch zu entwickelnden Ausleihsystem verwaltet werden. Die beiden Teilnehmer:innen setzen sich bereits tatkräftig und hochmotiviert für das gesamte Kollegium als Anlaufstelle zur Verfügung und wollen als „Multiplikator:innen“ an der Schule wirken. Dies ist allerdings ohne Entlastung in anderen Bereichen fast nicht machbar, daher werde ich mich um Anrechnungsstunden für die beiden bemühen.
Das Konzept wird auch noch mal am Pädagogischen Tag Anfang März 2023 dem gesamten Kollegium mit 150 Pädagog:innen vorgestellt und anhand von ein oder zwei Tools präsentiert. Das Konzept wurde bereits intern kurz vorgestellt und auch schon genutzt. Anschließend werden die Ergebnisse auf der Lehrerkonferenz evaluiert.
Mein oberstes Ziel ist es, das Konzept im eigenen Haus bekannt zu machen, Raum dafür zu schaffen und Organisationsstrukturen anzulegen. Langfristig habe ich den Wunsch, ErfahrungsOrientierte Lernmethoden nachhaltig im Schulalltag zu verankern.
Bestärkt hat mich dabei die Erkenntnis der Ausbildungsteilnehmer:innen, die mir berichtet haben, wie polykontextuell METALOG Tools einsetzbar sind. Das heißt, ein Tool eignet sich zum Einsatz für zahlreiche, ganz unterschiedliche Themenfelder. Ebenso bemerkenswert ist, dass die Methode in den unterschiedlichsten Bereichen (z. B. in der Bildungssparte Bauwesen oder Holzverarbeitung) fachbezogen eingesetzt werden kann, also sozusagen weit über den sozialen Aspekt hinaus vielseitigen Einsatz findet. Die Vorfreude bei mir auf die kommenden Aktionen ist groß!
Frau Holl, Herr Papierok, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch.