Rüdiger Sweere
Übersicht
Einmal im Jahr erhalte ich den Auftrag, die jeweiligen Diakone, die sich auf dem Weg zur Priesterweihe im Erzbistum Köln befinden, durch ein Methodentraining zur Gestaltung von Gruppen- und Arbeitsprozessen auf die Praxis in der Jugendpastoral vorzubereiten. Es ist eine große Herausforderung, den Teilnehmern an nur einem Tag eine möglichst große Vielfalt an Methoden zu präsentieren – besonders, da die Priesterausbildung eher theorielastig ist und die Teilnehmer nur selten Erfahrungen mit und in Gruppenprozessen haben.
Das Training hat das Ziel, den Teilnehmern die verschiedenen Phasen in der Arbeit mit Jugendgruppen aufzuzeigen und ihnen zu ermöglichen, diese Phasen und Prozesse mit unterschiedlichen Methoden zielgruppengerecht zu gestalten. Dabei geht es vor allem darum, die Methoden selbst auszuprobieren und zu begreifen sowie die eigene Komfortzone zu verlassen und sich vorbehaltlos auf neue Erfahrungen einzulassen. Für viele der Teilnehmenden ist dieses pädagogische Denken und Handeln völliges Neuland, besonders auf reflektiver Ebene.
Thema
Mein Methodentraining konfrontiert die Teilnehmer mit Herangehensweisen, die sie so bisher nicht kennen. Dies beginnt schon mit der Gestaltung des Seminarraums (nämlich ohne die sonst üblichen Arbeitstische) und endet bei den von mir eingesetzten Tools. In der Regel stehen die Teilnehmer den Inhalten des Methodentrainings sehr offen, wenn auch überrascht gegenüber.
Ich setze dabei auch immer unterschiedliche METALOG® training tools ein und stelle damit den Teilnehmern erfahrungsorientierte Lernmethoden und lösungsfokussierte Handlungsansätze vor.
Mein Ziel beim Einsatz der Tools ist, dass die Teilnehmer nach dem Training eine Vorstellung von erfahrungsorientierten Lernmethoden besitzen, in der Lage sind, kleine Inszenierungen zu kreieren, und natürlich ihr persönliches Methodenrepertoire erweitert haben.
Inszenierung
a. Vorbereitung
Wenn ich Ecopoly beim Methodentraining einsetze, dann tue ich dies grundsätzlich nach einer längeren Pause. In der Pausenzeit bilde ich im Raum drei Stuhlgruppen, auf die sich die Teilnehmenden ohne Vorgaben von mir aufteilen können. Auf einem Tisch neben dem Flipchart stehen der geöffnete Tool-Koffer und daneben die Raumgleiter.
b. Durchführung
Klassisch geht es bei Ecopoly um den schwindenden Vorrat an „Ecopozon“, einem lebenswichtigen Gas auf dem jeweiligen Heimatplaneten der Teilnehmer. Beim Methodentraining verbinde ich das Tool schon in der Inszenierung mit der Lebenswirklichkeit der zukünftigen Priester: Die katholische Kirche leidet unter einem kontinuierlichen Mitgliederschwund, der sich auch zukünftig weiter verstärken wird. Immer weniger Gläubige werden getauft, immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus, und so sterben die Gemeinden langsam vor sich hin. Bei der Inszenierung des Tools geht es um die personelle Zukunft des Erzbistums Köln in den nächsten Jahren.
Mit dem Titel „EBK (Erzbistum Köln) 2035 – rette, wer kann!“ wird den Teilnehmenden die Dramatik des Zukunftsbildes vorgeführt und ihr Ehrgeiz getriggert, eine Gemeinde in die Zukunft der Kirche zu führen. Als zukünftige Priester werden die Teilnehmenden auch eine leitende Funktion in einer Kirchengemeinde übernehmen und somit auch für deren Mitglieder verantwortlich sein.
Übertragung in die echte Welt
Elemente im Lernprojekt | Elemente in der echten Welt |
---|---|
Seminarraum | Erzbistum Köln |
Kleingruppe | Pfarrei/Seelsorgebereich |
Raumgleiter | die unterschiedlichen Phasen der Gemeindeglieder in ihrem Pfarreileben, z. B.: Eintritt, Taufen, Kirchenaustritte, Todesfälle |
Ecopozon-Fläschchen | Gemeindeglieder |
Spielrunden | Kirchenjahr |
Im Training ist es die Aufgabe der Priesteranwärter, sich gegen die anderen so durchzusetzen, sodass sie möglichst viele neue Gläubige für ihre Gemeinde gewinnen und somit die Zukunft der „ihrer“ Kirche absichern.
Die Ecopozon-Fläschchen symbolisieren in diesem Fall die Gemeindeglieder, die beim „ZDK“, dem „Zentrallager der Katholiken“ bestellt werden können. Es gibt somit „Wunschmitglieder auf Bestellung“ und jede Gruppe kann für sich entscheiden, wie viele neue Gemeindeglieder pro Monat dazukommen sollen. Natürlich gelten die üblichen Regeln des Tools.
c. Verlauf und Abschluss
Die Teilnehmer verfallen sehr schnell in einen Spielmodus und vergessen dabei die eigentliche Dramatik ihre Aufgabe. Bisher ist es keiner Gruppe gelungen, die Aufgabe zu einem erfolgreichen Ende zu bringen und alle Spielrunden durchzuführen. Dabei ist die Überraschung immer sehr groß, dass das eigene Handeln zum Scheitern geführt hat und welche Auswirkungen das eigene Handeln auf die Mitspieler hat.
Reflexion
Bei der Auswertung bleibe ich zunächst beim erlebten Geschehen der einzelnen Kleingruppen. Dabei spreche ich besonders die emotionale Ebene an und frage sowohl die „Gewinner-“ als auch die „Verlierergruppe“ nach ihrem Gefühlszustand. Hier geht es nicht um die Frage, was jeder Einzelne erlebt hat, sondern darum: „Wie hast du dich gefühlt?“, „Wie ist es, zu wissen, die meisten Gemeindeglieder hinzugewonnen zu haben und doch (fast) alle Kirchenmitglieder verloren zu haben?“
Dann erfolgte der Schwenk auf die persönliche Situation in der eigenen Gemeinde. Mit der Frage: „Wie würdest du reagieren, wenn dir eine Nachbarpfarrei durch ihr Angebot deine Gemeindeglieder abwerben würde? Was, wenn die Strategie der Nachbarpfarrei dazu führt, dass deine eigene Gemeinde bedeutungslos wird?“ Hier erfolgt schnell der Transfer in den Alltag, da solche Situationen bekannt sind.
In der Regel herrscht Einigkeit unter den Teilnehmenden, dass ein gemeinsamer Erfolg (im Sinne einer innerkirchlichen Strategie zur Mitgliedergewinnung) nur dann zu erreichen ist, wenn es zu gemeinsamen Absprachen kommt. Kirchliche Angebote müssen bedarfsgerecht spezialisiert werden, aber auch in einer territorialen Breite erreichbar bleiben. Ein Miteinander über die üblichen Pfarreigrenzen hinweg kann in diesem Zusammenhang zu einer Deckung des Bedarfs der Gläubigen führen.
Fazit
Mein Methodentraining führt bei den Teilnehmern zu einer nicht gänzlich neuen Erkenntnis: Dass die Kirchenmitgliederzahlen weiter sinken werden, dass die Anzahl der Geistlichen, die Gemeinden betreuen, weiter zurückgehen wird, ist völlig klar. Durch die Auswertung des Tools war es aber möglich, dass sich die Inhalte und Ergebnisse bei den Teilnehmern emotional verankern und sie diese Emotionen nun mit der Grundproblematik verbinden. Eine normale Diskussionsrunde hätte vielleicht ähnliche Ergebnisse gebracht, aber eine emotionale Verankerung hätte es nicht gegeben.
Für die Teilnehmer wurde spürbar, was es bedeutet, Gemeindeglieder zu verlieren, und wie es sich anfühlt, diese für sich zu gewinnen. Im konkurrierenden miteinander und im Gegeneinander-Ringen um die Zielgruppe wurde den Teilnehmern die Wichtigkeit einer gemeinsamen Strategie der gemeindeübergreifenden Zusammenarbeit sehr deutlich. Die so gemachten Erfahrungen werden sich, so ist es zumindest zu hoffen, im zukünftigen Arbeiten der Teilnehmer niederschlagen.