Prof. Dr. Frank Bertagnolli
Überblick
Im Rahmen eines gemeinsamen Projekts der Hochschule Pforzheim mit einem Firmenpartner wurde das Thema „schnelles Rüsten“ aus dem Bereich der schlanken Produktion (Lean Production) eingeführt. Hierbei geht es um den sicheren, möglichst zügigen und verschwendungsfreien Wechsel von Werkzeugen an Produktionsanlagen wie beispielsweise großen Pressen.
Zum besseren Verständnis der Methodik, der Vorgehensweise sowie des Einsatzes im Rahmen einer Lernwerkstatt wird für die Prozessoptimierer:innen aus unterschiedlichen Werken der internationalen Firma ein entsprechendes Lernprojekt eingesetzt. So wird eine Möglichkeit zum Lernen geschaffen, ohne an den echten Maschinen arbeiten zu müssen. Abseits der Produktion sind auftretende Fehler reversibel und weder sicherheitskritisch noch produktionshemmend. Zum Einsatz kommen die Tools CataPults und Team² in Kombination. Nach dem Training werden die Teilnehmer:innen die Methodik im Heimatwerk in eigenen Projekten selbstständig und praktisch anwenden können.
Thema: Schnelles Umrüsten an den CataPults mit Werkzeugen mittels Team²
Ein Schwerpunkt möglicher Lean-Aktivitäten liegt auf der Problemstellung eines möglichst verschwendungsfreien Umrüstens von Anlagen und Maschinen. Bei sehr guten Firmen erfolgt dies in einer Zeitspanne mit einer einstelligen Minutenzahl. Dies wird „Single Minute Exchange of Die“, kurz SMED, genannt (Bertagnolli 2020, 193).
Um dieses Ziel zu erreichen, soll von den Teilnehmer:innen erkannt und verstanden werden, wie Rüstprozesse verbessert und beschleunigt werden können. Verschwendungen sind zu eliminieren und Rüsttätigkeiten zu vereinfachen. Die zu verinnerlichende Methodik ist die Unterscheidung und Einteilung in „internes Rüsten“ (Maschine steht) und „externes Rüstem“ (Maschine läuft noch).
Zudem wird die Methode „EKUV“ eingeführt. Das Akronym steht für ein „Eliminieren, Kombinieren, Umverteilen und Vereinfachen“ von Tätigkeiten während des Umrüstens (Bertagnolli 2020, 195).
Inszenierung
a. Vorbereitung
Die CataPults sind die Analogie für die Maschinen bzw. Anlagen, an denen das Umrüsten stattfindet. Sie werden aufgebaut und können auch einen passenden und firmenintern bekannten Maschinennamen durch die Teilnehmer:innen erhalten. Jedes Team sucht dazu einen Namen einer bekannten Anlage oder Maschine, an der im eigenen Werk oder Bereich gerüstet wird.
Außerdem kommt für bis zu drei Teams ein Set des Tools Team² zum Einsatz. Die Teile des Team² werden auf einem etwas entfernter stehenden Tisch bereitgehalten. Hier befindet sich das sogenannte Werkzeuglager, das auch durch eine passende Beschriftung erkennbar ist.
Je nach Gruppengröße werden zwei bis drei ähnlich große „Rüstteams“ mit je zwei bis vier Personen gebildet. Die einzelnen Teams können bei nicht gleichmäßig teilbarer Anzahl auch unterschiedlich groß sein. Je Team gibt es einen Zeitnehmer, der sein Smartphone als Stoppuhr nutzt. Jedes Rüstteam wird mit einem CataPult und jeweils zwei verschiedenfarbigen Bällen (gelb und rot) ausgestattet.
Mit drei CataPults und einem Team² ist eine Durchführung für eine Gesamtgruppengröße mit bis zu zwölf Personen möglich. Durch weitere CataPults und eine weitere Box mit Teilen des Team² ist die Durchführung auch mit mehr Teilnehmer:innen skalierbar. In diesem Fall werden die Team² Teile nicht vermischt, sondern auf einem weiteren, den zusätzlichen Gruppen separat zugeordneten Tisch positioniert (z. B. benannt als „Werkzeuglager 2“).
Es werden zwei unterschiedliche Zielbereiche eingerichtet, die in verschiedenen Richtungen liegen; diese versinnbildlichen die Kunden. Die beiden unterschiedlichen Zielbereiche sind für alle Rüstteams identisch und können mit den Farben der Bälle (gelb und rot) markiert werden. Sie müssen nicht exakt getroffen werden.
b. Durchführung
Zunächst wird in die Aufgabe eingeführt und werden die Regeln verkündet, die zusätzlich auf einem Flipchart visualisiert werden: „Willkommen in eurer Produktion. Die CataPults stellen eure Maschinen dar, die jeweils ein Produkt in einer Variante herstellen. Das Produkt wird durch den Ball und die Produktvariante durch die Ballfarbe dargestellt. Dieses Produkt, also der Ball, ist ordnungsgemäß weiterzugeben, indem ihr ihn in den ersten, gelben Zielbereich des Kunden katapultiert. Um vom ersten gelben Produkt für Kunde 1 zum zweiten roten Produkt für Kunde 2 zu kommen, müsst ihr eure Maschinen umrüsten. Hierzu sind drei Einstellungen an euren Maschinen zu verändern: Die hintere Schraubverbindung wird um eine Stelle nach vorne versetzt. Die dortige Schraubverbindung wird ebenso um eine Stelle nach vorne versetzt. Der Gummizug wird auf dem vorderen Haken eingehängt.
Doch bevor die Umrüstung an der Maschine erfolgen kann, muss das dafür passende Werkzeug vorliegen. Dieses erhaltet ihr aus dem Werkzeuglager in Form von zwei zusammengesetzten, gleich großen Quadraten. Eure Aufgabe ist es also als Erstes, pro Team zwei gleich große Quadrate zusammenzubauen. Doch Vorsicht: Alle Teams benötigen ein funktionstüchtiges Werkzeug. Ohne dieses funktionstüchtige Werkzeug kann und darf nichts an der Maschine verändert werden.“
Mit dem Start der Simulation wird ein Pacing durchgeführt: „Wir werden nun sehen, wie zügig, aber auch sicher ihr die Herausforderung meistern werdet.“
Nach der ersten Runde erfolgt ein Theorieinput über schnelles Rüsten, Rüstzeitreduzierung, Verschwendungen und das interne und externe Rüsten. Außerdem wird die Methode EKUV erklärt. Gleichzeitig wird abgefragt, wo erkennbare Probleme diesbezüglich bei der ersten Runde aufgetreten sind.
„Nun geht ihr zu euren Maschinen zurück und überlegt euch Maßnahmen zur Verbesserung. Plant euren Rüstablauf neu. Danach werden wir in einer zweiten Runde, ausgehend vom roten Produkt, wieder zurück auf das gelbe Produkt umrüsten, das bedeutet alle drei Einstellungen sind wieder um eine Stufe zurückzuversetzen. Auch hier gilt wieder:
Übertragung in die echte Welt (CataPults und Team²)
Elemente im Lernprojekt | Elemente in der echten Welt |
---|---|
CataPults | Anlagen, Maschinen |
Farbige Bälle | unterschiedliche Produkte |
Unterschiedliche Zielbereiche | Folgeprozesse, Kunden |
Einstellungen der Schrauben, des Gummizugs | Maschineneinstellungen, Parameter |
Komplette Team² Quadrate | passendes, einsatzfähiges Werkzeug |
Tisch mit Team² Teilen | Werkzeuglager |
Teilnehmer:innen in Teams | Mitarbeiter:innen in Rüstteams und Prozessoptimierer:innen |
Durchführungsrunde 1 | vorgefundener Ausgangszustand vor einem Verbesserungsworkshop |
Durchführungsrunde 2 | verbesserter Zustand nach einem Verbesserungsworkshop |
Zeit zwischen beiden Bällen | Rüstzeit an der Anlage zwischen zwei Produkten |
Kritische Situationen am Katapult | Gefährdungen und Arbeitsunfälle |
Ohne funktionstüchtiges Werkzeug ist keine Veränderung an der Maschine möglich.“
In der zweiten Runde sind alle Änderungen erlaubt und möglich. Dies schließt beim Werkzeug das nähere Lagern, das Vorsortieren und eine Schablone ein. Ebenso ist es möglich, vor dem Abschuss des ersten Balls die Umrüstung vorzubereiten (externes Rüsten) oder die Schrauben nur zu stecken, ohne mit der Flügelmutter zu kontern (internes Rüsten).
Kritisch könnte es werden, wenn die vorgegebenen Regeln gebrochen werden: zum Beispiel, wenn ohne Werkzeug an der Maschine zu arbeiten begonnen wird. Hier wird mit dem Hinweis interveniert, dass dies nicht erlaubt sei. Ein anderes Problem kann entstehen, wenn sich ein Team viele oder alle Quadratteile nimmt und nichts für andere Teams übrigbleibt. Dies wird separat thematisiert: Was bedeutet dies in der Praxis zum Stichwort „Teamwork beim Rüsten“?
c. Abschluss
Zum Schluss folgt die Auswertung mit einem Vergleich der Zeiten aus den beiden Runden. Die Zeiten werden anhand einer aufgenommenen Tabelle verglichen. Der Unterschied wird berechnet und visualisiert.
Auch das Thema Arbeitssicherheit wird abschließend fokussiert. Es könnte zu Verletzungen mit dem Katapult oder den Schrauben kommen. Hier wird das Thema „Safety first“ diskutiert: Es hilft nicht, die Sicherheit zu riskieren, nur um schneller zu sein.
Reflexion
Gruppenübergreifend werden alle Teilnehmer:innen zunächst gefragt: „Was hat alles zu einem Verbesserungserfolg zwischen den beiden Runden beigetragen? Was hat geholfen?“ Die Erfolgsfaktoren werden durch den Trainer gesammelt und visualisiert. Dadurch, dass die CataPults noch in der letzten Version vor Ort stehen, kann direkt am Tool erklärt werden, was zur Verbesserung geführt hat. Dabei wird der Fokus bei der Formulierung bereits auf reale Prozesse gelegt: „Wie wäre dies in der Fabrik umgesetzt worden?“ Die gemeinsame Auswertung dient dem Austausch von unterschiedlichen Lösungen der Einzelgruppen.
Im Nachgang kann die Durchführung mit einem Besuch in der Produktion bei der Betrachtung eines Rüstprozesses untermauert werden. Dies schärft das Auge für die wesentlichen Instrumente des schnellen Rüstens. Elemente aus der Simulation und Erkenntnisse werden wiedererkannt und verbunden. Alternativ wird ein Video eines guten Rüstprozesses oder eines Boxenstopps in der Formel 1 gezeigt.
Fazit
Durch das selbstständige Tun verinnerlicht sich die Vorgehensweise an einem vereinfachten und dennoch herausfordernden Prozess analog einer realen Rüstvorgehensweise. Fehler sind erlaubt und ermöglichen einen Lernerfolg in einem „geschützten Raum“, abseits der realen und laufenden Produktion.
Es kann passieren, dass wesentliche Effekte aufgrund von Erfahrung schon in der ersten Runde umgesetzt werden. Dies ist keineswegs schlimm oder zu unterdrücken. Der Unterschied in der Ergebniszeit fällt dann zwar geringer aus, aber es werden sich immer auch noch weitere Potenziale ergeben.
Es bietet sich an, vorher abzufragen, welche Erfahrungen bereits bestehen. So kann vorhandenes Fachwissen besser eingeschätzt und eingesetzt werden. Bei entsprechendem Expertenwissen sind Personen auch bewusst als Zeitnehmer:innen einsetzbar.
Bemerkenswert ist der Einsatz des Tools als Sinnbild für eine Maschine, ohne eine wirkliche komplexe Anlage für das Training nutzen zu müssen. Das Tool CataPults ist komplex genug für diesen Einsatz, da Umbauten und Einstellungen vorgenommen werden können. Und es findet eine Kombination mit einem typischen Thema aus der Realität statt, nämlich die meist zu suchenden Werkzeuge. Die Quadrate des Team² bringen hierzu die passende Varianz in das Lernprojekt hinein.