Über das Scheitern

Tower of Power, PerspActive & RealityCheck

Interview mit Oliver Ferreau

 

Oliver Ferreau wurde im März 2018 zum besten Projektmanagement-Trainer Deutschlands gekürt. Die Auszeichnung wurde von der GPM Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement für exzellente Teilnehmerfeedbacks, die hohe Bestehensquote und Ferreaus ehrenamtliches Engagement für den Verband vergeben. Oliver Ferreau hatte zwölf Jahre lang in einer Unternehmensberatung für IT-Security gearbeitet und zahlreiche nationale und internationale Projekte geleitet. Damals entschied er sich, Projektmanagement von der Pike auf zu lernen, um sich schließlich als Senior-Projektmanager (IPMA-Level B) zertifizieren zu lassen. Heute ist Oliver Ferrreau zertifizierter METALOG® Trainer für Erfahrungsorientierte Lernmethoden und gibt Wissen und Erfahrungen in Form von Trainerausbildungen, Beratungsprojekten und maßgeschneiderten Trainingskonzepten weiter. Dabei achtet er sehr darauf, dass die Teilnehmer das Gelernte in praktischen Übungen für ein konkretes eigenes Projekt zur Anwendung bringen.

 

METALOG: Inwiefern haben die Erfahrungsorientierten Lernmethoden deinen Trainingsstil verändert?
Oliver Ferreau: Ich komme aus der Wissensvermittlung: Im Projektmanagement gibt es klar umrissenen Stoff, der transportiert werden will. Deshalb wusste ich am Anfang gar nicht so recht, wie ich Übungen „inszenieren“ sollte, denn die Realität sah doch eher schulmäßig aus: Die Teilnehmer haben Arbeitsblätter ausgefüllt. Dann machte ein Kollege mich neugierig, der sagte, es gebe so etwas wie Simulationen, die einem Projektablauf sehr ähnlich sind. Ich habe mich daraufhin zur Trainerausbildung bei METALOG® angemeldet. Tatsächlich lasse ich seit meiner EOL-Ausbildung die Teilnehmer viel mehr machen und erfahren, statt mich hinzustellen und zu sagen: „Ich weiß genau, wie es geht.“ Das Gute ist einfach, dass die Teilnehmer auf diese Weise immer etwas lernen – selbst wenn das Lernprojekt mal scheitert.

 

Das ist für Novizen im Bereich Erfahrungsorientierte Lernmethoden ja häufig der größte Aha-Effekt: dass der Misserfolg der Gruppe im Lernprojekt eigentlich den größten Lernerfolg bietet. Dafür muss man aber als Trainer loslassen können … Wie hast du das damals erlebt und wie ist das heute für dich?
Natürlich war das am Anfang außerhalb meiner Komfortzone: Es gab damals 46 Wissensgebiete, die ich in zwölf Tagen vermitteln musste. Da war es kaum denkbar, Zeit für irgendetwas anderes zu verwenden. Aber das war einfach ein limitierender Glaubenssatz. Heute bin ich relativ entspannt, denn ich merke, selbst wenn die Gruppe in der geplanten Zeit noch nicht am Ziel angekommen ist, kann ich mit dem Scheitern arbeiten, ohne dass es meinen Zeitrahmen sprengt. Und diese Arbeitsmethode liegt viel näher am persönlichen Erleben der Teilnehmer, was diese wiederum positiv zurückmelden. Ich glaube, durch die Anfängerbrille eines Trainers betrachtet ist die Angst vor Lernprojekten groß, denn man glaubt, man sei dann nicht mehr Herr seines Zeitplans – was allerdings nicht stimmt. Ich habe darauf eine Art Meta-Sicht entwickelt, die mich immer die Zügel in der Hand behalten lässt: Tatsächlich kann ich nämlich einmal gemachte Erfahrungen der Teilnehmer mit den METALOG® training tools für ganz unterschiedliche Themen verwenden. Wenn ich z. B. etwas zum Thema Verhandeln mache, kann ich das Erlebte später beim Thema Kommunikation wieder aufgreifen.

 

Heißt das, du verflichtst also die verschiedenen Kapitel deines Trainings heute mehr miteinander?
Ja, genau! Das Wort „verflechten“ trifft es sehr gut. Denn die Tools sind ja polykontextuell einsetzbar und erzeugen somit für verschiedene Kontexte sinnhafte Lernerfahrungen. Und die Themen hängen ja auch tatsächlich stark miteinander zusammen. So ist es überhaupt nicht schlimm, wenn ich an einer Stelle etwas länger brauche, denn die Zeit spare ich bei einem anderen Thema wieder ein, wenn die Gruppe zuvor schon das Erlebnis hatte. So muss ich zum Beispiel keine Extraübung zum Thema Missverständnisse in der Kommunikation machen, wenn das zuvor bereits beim Thema Verhandeln erlebt wurde. Diese lockerere Haltung habe ich aus der METALOG® ® Trainerausbildung mitgenommen.

 

In welchen Bereichen des Projektmanagements ist es sinnvoll, mit METALOG® training tools zu arbeiten?
Im Projektmanagement gibt es die beiden Säulen „Hard Skills“ und „Soft Skills“. Bei den Hard Skills kann man die Tools z. B. zur Sensibilisierung für die Bedeutung der Projektplanungssequenz einsetzen. Beim Thema Schnittstellen und Übergabe von Arbeitspaketen verwende ich gerne die Pipeline. Mit ihr kann ich schön verdeutlichen, dass es wichtig ist, das Eigene zu beherrschen und gleichzeitig das große Ganze im Blick zu behalten.
Als Wiederholungsübung verwende ich gerne den Tower of Power. Praktischerweise hat auch die Projektplanungssequenz acht Bausteine, genau wie der Tower of Power. Die ersten vier Themen kann man relativ beliebig aufeinander aufbauen. Hier ist es egal, ob ich mit den Zielen oder mit den Stakeholdern anfange. Danach wird die Reihenfolge aber zwingend: Nach der Projektstruktur-Planung folgen die Ablauf- und die Terminplanung, anschließend dann die Ressourcen- und Kostenplanung. D. h. es gibt manchmal Zusammenhänge, die sind zwingend, und manchmal welche, die sind flexibel. Ich beklebe die einzelnen Bausteine des Tower mit den Schritten der Projektplanung. Die Gruppe soll dann den Tower so aufbauen, dass die einzelnen Schritte in einer sinnvollen Reihenfolge abgebildet sind.
Bei den Soft Skills nutze ich gerne PerspActive, zum Beispiel wenn es um das Thema Führung geht. Ich inszeniere die Aufgabe wie ein Projekt. Konkret heißt das, die Gruppe hat die Aufgabe, die Kugel durch den Schlauch zu bewegen. Um das Ziel zu erreichen, sollen sie ihre Projektmanagement-Skills einsetzen. Zu Beginn scheitert die Gruppe meist erst einmal. Dieses Scheitern nutze ich dann, um herauszuarbeiten, dass ein Vorgehen mit Meilensteinen sinnvoll sein kann. Die Gruppe nutzt dann ein Klebeband und einen Kugelschreiber, um fünf Meilensteine am Schlauch zu markieren. Das hilft natürlich immens, den Überblick zu bewahren. In der Auswertung lege ich dann den Fokus auf die verwendeten Soft Skills, z. B. „Wie haben die Teilnehmer kommuniziert, um zum Ziel zu kommen“?
Für das Thema Kommunikation nutze ich gerne den RealityCheck. Mit diesem Tool ist einfach viel rauszuholen, wenn die einzelnen Akteure sich gegenseitig über ihre verschiedenen Realitäten erzählen. Gleichzeitig spielt planvolles und koordiniertes Vorgehen eine große Rolle – wie im Projekt auch.
Mit den Seifenkisten arbeite ich auch gerne. Ich habe sie zum Jahresauftakt in einer zweitägigen Tagung in einem Kloster bei Leipzig mit einer großen Automobil-Dienstleisterfirma eingesetzt. Ziel war es, das Jahr zu planen und sich noch besser untereinander zu koordinieren. Ich habe das Ganze dann „Boxenstopp im Kloster Nimbschen – frisch aufgetankt und mit neuen Reifen ins Jahr starten“ genannt. Die Seifenkisten bildeten quasi die zentrale Metapher für die ganze Veranstaltung. Sie wurden dann natürlich auch im Team gebaut und es wurden damit Rennen gefahren. Abends ging es als Überraschung und Teamevent noch auf die Kartbahn.

 

Wie jeder Musiker hat auch jeder Trainer seine Lieblingsinstrumente. Welche sind deine?
Für mich ist das ganz klar zuallererst PerspActive. Einmal aus dem sehr praktischen Grund, dass es weniger Platz braucht als der Tower of Power. Dann die Art der Durchführung: Es gibt eine Ausgangs- und eine Zielsituation. Dabei arbeiten mehrere Akteure – unter der Führung einer Person – gemeinsam an der Erledigung einer Aufgabe. Und ich liebe besonders die Dreidimensionalität und Komplexität der Aufgabe. Das ist einfach wie im echten Projekt, bei dem man gerne mal den Überblick verliert.
Aber ich liebe auch sehr die EmotionCards und das Band Mini. Das kleine Band passt einfach wunderbar für meine Gruppengröße von typischerweise sechs bis acht Personen und ist auch gut in kleineren Räumen einsetzbar. Platz ist für mich immer ein Thema, da ich die Seminarräume wegen der umfangreichen Teilnehmerunterlagen mit Tischen versehen muss.